Lieferdienste Wachstum ist möglich

Sollten C-Stores den wachsenden Erfolg der Lieferdienste nur im Auge behalten, oder selbst aktiv werden? Das Thema steht für die Branche jedenfalls auf der Agenda.

Montag, 17. Juni 2019 - E-Food
Hans Jürgen Krone
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Bildquelle: Takeaway.com

Ein neues Phänomen sind Essens-Lieferdienste in Deutschland nicht. Dennoch sollten sich Betreiber von Convenience-Shops mit der Entwicklung dieser Branche jetzt ernsthaft auseinandersetzen. Denn die Umsätze sind in den vergangenen Jahren rasant gestiegen. Das sieht auch Torsten Eichinger, Geschäftsführer des Großhändlers MCS, so. In naher Zukunft kristallisierten sich Bringdienste und Online-Shops wie Amazon Prime als wesentliche Wettbewerber heraus, erklärte er kürzlich. Eichinger weiter: „Wie immer birgt jedes Risiko auch Chancen. Was hindert Tankstellen daran, selbst über einen Lieferservice nachzudenken und so den Wirkungskreis deutlich zu erweitern?“ Mit einem Ausbau des vorhandenen Bistrosortimentes in diesem Sinne könnten Shop-Betreiber nicht nur stationäre Kunden glücklich machen, sondern auch die Akzeptanz bei solchen Kunden erhöhen, die nicht selbst in den Shop kommen wollten. Ein Beispiel dafür biete der Lieferdienst von Burger King, dem gegenüber Tankstellen- Shops mit ihrer Sortimentsvielfalt zusätzlich punkten könnten. Aus der Tatsache, dass Online-Anbieter à la Amazon prime noch keine Bistro-Sortimente führten, so Eichinger, erwachse eine Reihe von Chancen für die Tankstelle.

Dass ohnehin Verbraucher auch vom stationären Handel inzwischen eine „360-Grad-Digitalerfahrung“ erwarten, darauf wies kürzlich die Riverbeld Retail Studie hin: „Das digitale Erlebnis für die Verbraucher beginnt und endet nicht online, denn auch vom stationären Handel erwarten Konsumenten mittlerweile digitale Dienstleistungen und Features, die das Shopping-Erlebnis verbessern“, so die Erkenntnis. Zu den beliebtesten digitalen Angeboten, die Verbraucher beim Shopping im Handel nutzen, gehörten laut Studie „Wlan (weltweit 34 Prozent/Deutschland 31 Prozent), eine filialspezifische mobile App (27 Prozent/23 Prozent), digitale Kassenbelege per E-Mail (25 Prozent/14 Prozent) und die Verwendung mobiler Drittanbieter-Apps für digitale Coupons, Rabatte oder Preisvergleiche (22 Prozent/20 Prozent). Die Nutzung von Bestellkiosken und virtuellen Assistenten im Geschäft lag jeweils bei 14 Prozent.“

Umsätze sollen deutlich wachsen
Laut Statista konnten die Essens-Lieferanten im Jahr 2018 in Deutschland einen Umsatz von 3,6 Milliarden Euro erzielen und die Prognose ist noch heftiger, denn im Jahr 2022 rechnet Statista mit einem Marktvolumen von fast sieben Milliarden Euro. Damit hätte sich das Umsatzvolumen des Marktes dann in vier Jahren verdoppelt. Diese Entwicklung deckt sich mit der internationalen Tendenz. So mischen Anbieter wie Uber Eats & Co. in den USA den Gastronomie-Sektor kräftig auf. Diese Umsätze werden dabei längst nicht mehr nur von zuhause gemacht, sondern auch in Bereichen wie Partyservice und Betriebsverpflegung. In vielen Unternehmen geben sich die unterschiedlichsten Lieferservices zur Mittagszeit die Klinke in die Hand um entweder einzelne Mitarbeiter zu versorgen oder sogar ganze Teams.

„Ich bestelle zwei bis dreimal pro Woche mittags das Essen für meine ganze Belegschaft bei einem Lieferservice“, sagte kürzlich ein Unternehmer im Rahmen der Abendveranstaltung von Handel und Wandel in Tankstellen gegenüber Convenience Shop. Und da die Mitarbeiter solcher Unternehmen aufgrund aktuell laufender Projekte oft lange arbeiten, wird oft auch am Abend noch einmal bestellt. Überall dort, wo der Besteller eine Adresse angeben kann, kann er für sich oder eine ganze Gruppe Essen liefern lassen. Bezahlt wird dabei meist bereits online, sodass die Lieferdienste kaum noch fürchten müssen, auf einer Bestellung ohne Bezahlung sitzen zu bleiben. Der Lieferdienst Pizza.de hat die bundesweiten Bestellungen des vergangenen Jahres ausgewertet. Die Botschaft ist: Online-Bezahlsysteme sind stark im Kommen. Am liebsten, so ein Ergebnis der Studie, bezahlen die Kunden mit PayPal. Knapp die Hälfte der Bestellungen  (46 Prozent) wurde demnach über den Onlinedienst abgewickelt. Barzahlungen kommen direkt an zweiter Stelle mit 45 Prozent. Auf dem dritten Platz landen die Sofortüberweisung mit vier Prozent und die Kreditkarte (vier Prozent) gefolgt von der EC-Karte vor Ort (ein Prozent). Am häufigsten wird die Bezahlung in den Bundesländern Rheinland-Pfalz (51 Prozent), Berlin (49 Prozent) und Sachsen (49 Prozent) per PayPal abgewickelt. Gefolgt von Baden-Württemberg, Hessen und Nordrhein-Westfalen mit jeweils 48 Prozent.

Tankstellen sind betroffen
Für alle Shop-Betreiber, die mit ihrem Bistro-Angebot auch auf das Mittagsgeschäft mit Gästen aus umliegenden Unternehmen setzen, ist das alles keine unproblematische Entwicklung. „Zur Tankstelle wollte auch keiner gehen, denn die war erstens auch nicht gerade preiswert und mehr als zwei Pizzen würden eh nicht in meinen Ofen passen. Das war für uns sechs aber definitiv zu wenig“, zitiert der Lieferdienst Lieferando.de etwas polemisch auf seiner Homepage die angeblichen Erlebnisse eines seiner Kunden. Die Zielrichtung ist klar. Trotz des allgemein festgestellten Trends zu besseren Ernährungsbewusstsein, ist eine massenhafte und zunehmende tägliche Lieferung von Pizza, Burgern und Nudeln und anderen als vermeintlich ungesund eingestuften Mahlzeiten zu verzeichnen. Eine im Jahr 2018 durchgeführte Studie von Service Value und Focus Money spricht davon, dass in Deutschland im Monat etwa 24. Mio. Pizzen bestellt werden. Aber das muss nicht so bleiben, denn der Vorgang der Lieferung hat nichts mit der gelieferten Ware zu tun. Wenn die Zahl der Kunden, die ernährungsbewusst oder von Allergien betroffenen sind, oder sich vegan etc. ernähren wollen, weiter steigt, wird sich das nach Ansicht von Fachleuten, nicht im Abschied von solchen Lieferdiensten niederschlagen. Ändern wird sich wohl die Auswahl der zu liefernden Speisen. Deren schnelle Zubereitung und Lieferung wird an einigen Stellen vielleicht aufwändiger und teurer sein, aber das wissen die Kunden auch. Wer zweifelt daran, dass sie dann auch bereit sind, für diese Art von Convenience, die sich in unkomplizierter Lieferung gesunder Speisen mannifestiert, mehr zu bezahlen?

Dass der Markt der Lieferdienste inzwischen in eine neue Reifephase eintritt, zeigt sich auch rund um die Essenslieferdienste Foodora, Lieferheld und Pizza.de. Sie gehörten bisher zum Berliner Unternehmen Delivery Hero. Im Dezember 2018 wurde bekannt, dass dieser sein Geschäft für knapp eine Milliarde Euro an den Konkurrenten Takeaway.com. verkauft. Die Niederländer, die das Portal Lieferando.de. betreiben, wollen dem Vernehmen nach nur noch unter dieser Marke agieren. Gegenüber der „Welt“ sagte Vorstandschef Jitse Groen, dass die Konzentration auf eine Plattform vor allem auch das Marketing einfacher machen werde. „ Die Ziele des Unternehmens sind jedenfalls sehr ehrgeizig. Nicht umsonst sprach Vorstandschef Jitse Groen gegenüber der Welt von „gewaltigem Wachstumsmöglichkeiten“.

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Bild öffnen Immer mehr Menschen lassen sich ihr Essen nach Hause oder ins Büro liefern.
Bild öffnen Wer mit Freunden zuhause essen und feiern will, ohne zu kochen, für den sind Lieferdienste aller Art eine willkommene Alternative.
Bild öffnen Essens-Lieferdienste sind omnipräsent und hier zu Lande aus dem Straßenbild kaum noch wegzudenken.