Zeitenwende Ladenbaukonzepte

Convenience-Shop-Betreiber müssen zurzeit mehrere Herausforderungen gleichzeitig meistern. Mit Hilfe intelligenter Ladenbaukonzepte wollen sich viele Shops neu aufstellen.

Montag, 16. Mai 2022 - Industrie
Silke Hoyer
Artikelbild Ladenbaukonzepte
Bildquelle: S-IQ

Die deutsche Gesellschaft steckt mitten im Umbruch. Corona bleibt dem Land erhalten. Der Ukrainekrieg verstärkt noch einmal die Probleme, die Corona ans Licht gebracht hat: Personalmangel, steigende Energiekosten, exorbitante Spritpreise, die Unterbrechung vieler Lieferketten, der Mangel wichtiger Rohstoffe und vieles andere lässt sich nennen. Herausforderungen, die auch in den Convenience-Kanälen wie Tankstellen-Shop, Convenience-Stores und Travel-Retail-Outlets längst angekommen sind. Zurzeit sind es vor allem die Spritpreise, die zum Umdenken in der Bevölkerung führen – mit Auswirkungen an den Tankstellen und in deren Shops: Denn der Individualverkehr der Berufspendler nimmt weiter ab. Wer nicht fahren muss, bleibt im Home-Office. Alle anderen denken über Alternativen wie Fahrgemeinschaften, den öffentlichen Nahverkehr oder auch das Fahrrad nach. Ob für Freizeitaktivitäten oder den Urlaub verstärkt das Auto genutzt wird, wie in den Coronajahren zuvor – ist bei gleicher Ausgangslage – zweifelhaft. So gibt es bereits heute Standorte, zu denen nur noch jeder zweite Kunde zum Tanken kommt. Deshalb gilt: Wenn keine Tankumsätze generiert werden können, müssen zusätzliche Frequenzbringer installiert werden, die zu Spontan- und Zusatzkäufen führen – wie etwa das Angebot, Geld an der Kasse abzuheben oder Paketabholstationen. Hier kommen in zunehmendem Maße die Ladenbauer mit ihren Konzepten ins Spiel.

Ein Barbershop an der Tankstelle
Vor allem müssen Shop-Angebote stärker an den Standort und das Wettbewerbsumfeld angepasst werden. „Wenn es am Ort keinen Blumenladen mehr gibt, dann sind Blumen ein gutes Zusatzgeschäft. An Standorten mit vielen Berufspendlern sind Spielwaren und Plüschprodukte beliebte Mitbringsel der arbeitenden Mütter und Väter. An anderen Standorten laufen Tabak und Zubehör für Shisha-Pfeifen sehr gut“, sagt Volker Walz, Geschäftsführer S-IQ Objekt. Der Ladenbauer sieht seine Aufgabe deshalb darin, Standort und Shop-Konzept aufeinander abzustimmen sowie Shop- und Bistro-Angebot zu optimieren und zusätzliche Frequenzbringer auf die Fläche zu bringen. „Wir haben jüngst in Nürnberg den ersten Tankstellen-Store mit einem Barbershop gebaut. Ein Barbershop ist auch Café, Treffpunkt der Community. Das Konzept ist eine Win-Win-Situation: Der Pächter des Barbershops bringt seine Kunden mit. Das bringt garantierte Frequenz und Umsatz im Bistro. Der Pächter hat in die Ausstattung des gläsernen Barbershops mit eigenem Zugang investiert, der Tankstellen-Betreiber in die Aufenthaltsqualität des Bistros. Sessel und Bänke mit Cordbezug im Vintage-Look, Einbaumöbel mit Holzdekor und ein Vinylboden mit Retro-Prints haben aus dem ehemaligen Mensa-Feeling des zuvor schwach frequentierten Verweilbereichs eine Lounge mit Wohnzimmeratmosphäre geschaffen“, berichtet Volker Walz über das Projekt.

Ein weiterer wesentlicher Faktor, um Kunden zu gewinnen und zu binden, ist nach Meinung von Walz eine sicht- und erlebbare Kaffeekompetenz im Shop. Denn laut Marktforscher Statista soll der Pro-Kopf-Umsatz von Kaffee und der Umsatzanteil des Außer-Haus-Marktes in diesem Jahr wieder das Niveau der Vor-Corona-Zeit erreichen. Das Forschungsinstitut prognostiziert, dass bis 2025 der jährliche Pro-Kopf-Umsatz auf 248,10 Euro und der Umsatzanteil des Außer-Haus-Konsums auf 77 Prozent steigen wird. Mit einem passenden Konzept können die Convenience-Shop-Betreiber hier anknüpfen. „Wir haben für die San Francisco Coffee Shop Company neben eigenständigen Coffee-Places ein Shop-in-Shop-Konzept entwickelt, das mit geringem Aufwand und Investment in bestehende Standorte integriert werden kann“, führt Volker Walz ein Beispiel an.

Eine zusätzliche Möglichkeit der Differenzierung, vor allem für kleinere Tankstellen-Shops, sei die Reduktion von Vielfalt und Komplexität. „Wir haben Kunden, die sich auf Burger, Pizza, Pommes oder Köfte spezialisiert haben und damit erfolgreich sind. Jüngst wurde in Flensburg eine Station eröffnet, die sich auf frisch gebackenen Fleischkäse fokussiert“, berichtet Walz.

Auf Energiekosten achten
Auch die Energiekosten sind ein Faktor, der die Ladenbauer umtreibt. Denn hier ist die Auswahl richtiger Produkte und Materialien künftig noch erfolgsentscheidender für C-Store-Inhaber. In einem Shop mit frischen Backwaren beispielsweise kann der Ladenbackofen bis zu 70 Prozent der Energiekosten ausmachen – Tendenz eher steigend. Bei Fleisch und Wurst oder auch Eis ist die Kühlung im Laden ein wesentlicher Kostenblock. Mit intelligenten Mess- und Lastwechsel-Managementsystemen lassen sich an dieser Stelle erhebliche Kosten einsparen – ohne die Präsentationsqualität zu reduzieren. Außerdem ist zu empfehlen, den Energieverbrauch im Blick zu behalten. Die Hersteller sind seit März 2021 verpflichtet, diesen auf ihren Geräten auszuweisen. Der Ladenbauer Aichinger ist da bereits einen Schritt weiter. „Wir sind der weltweit erste und einzige Anbieter, der bereits seit 2013 die Live-Messergebnisse einer Kühltheke online vernetzt“, ist auf der Homepage des Anbieters zu lesen. Die vernetzte Sirius 3 Kühltheke des Unternehmens wird im täglichen Betrieb des Edeka Markt Schuler in Dietenhofen genutzt. Im Modul können für unterschiedliche Zeiträume die Datenverläufe eingesehen werden. Für Monats- und Jahresverläufe werden die jeweiligen Durchschnittswerte angeben. Die Werte werden alle vier Stunden aktualisiert, live aus Dietenhofen.

Zunehmende Lieferkettenprobleme
Corona und der Ukrainekrieg verteuern aber nicht nur die Energie, sondern erhöhen auch Beschaffungskosten und -aufwand für viele Materialien wie Holz, Dekor- und Furnierwerkstoffe, Möbel- und Gestaltungselemente aus Glas sowie Metall und verlängern deutlich die Lieferfristen. In einer Befragung des deutschen Ladenbauverbandes von Januar und Februar 2022 gaben 48 Prozent der befragten Ladenbauer an, dass sie 2021 eine Verschiebung von etwa zehn Prozent ihrer Projekte aufgrund von Lieferkettenproblemen zu verzeichnen hatten. 21 Prozent gaben an, dass etwa 20 Prozent ihrer Projekte von Verschiebungen betroffen waren. Deshalb haben sich viele Ladenbauer wieder auf Produzenten konzentriert, die vor allem in Europa Rohstoffe und Vorprodukte einkaufen.
Auch für das Problem Personalmangel müssen die Ladenbauer zunehmend Lösungsansätze entwickeln. So hat sich Aichinger auf Kühltheken fokussiert, die sich mit wenigen Handgriffen von einer Bedien- in eine SB-Theke umwandeln lassen. Einschwenkbare Etagen in Bedientheken oder drehbare Brotregale sind Lösungen, die Zeit und Bedienpersonal sparen. All diese Vorschläge der Ladenbauer können Shop-Betreibern helfen, sich den Herausforderungen zu stellen und nach vorn zu blicken.