Albert Christmann und Guido Mockel werden zufrieden sein. Dem Chef und persönlich haftenden Gesellschafter der Dr. Oetker-Gruppe und dem Nachfolger von Niels Lorenz an der Spitze der Radeberger-Gruppe, – einer Oetker-Tochter – gelang ein Coup, der Aufsehen erregte: Die seit längerem angepeilte Übernahme des Online-Getränkelieferdienstes Flaschenpost aus Münster ging jetzt über die Bühne. Damit fügt die Oetker-Gruppe ihren Getränkemarkt-Aktivitäten, im Einzel- und Großhandel einen weiteren Baustein hinzu.
Stark im Convenience-Markt
Auch für den Convenience-Markt gewinnt die Gruppe weiter an Bedeutung. Das wird nicht nur durch den Kauf von Flaschenpost, wachsender Wettbewerber der C-Stores im Bereich der Sortimente Bier, Softdrinks oder Wasser in Mehrweg-Gebinden, deutlich, sondern auch durch eine zweite aktuelle Meldung offenbart: Danach versorgt Team Beverage, Handelsplattform für den Getränkefachgroßhandel, den endsprechenden Einzelhandel und die Gastronomie, künftig mit ihrer Convenience-Abteilung auch die Jet-Tankstellen hier zu Lande mit Mehrweg-Gebinden. Damit gewinnt der Getränke-Dienstleister einen weiteren Kunden im Convenience-Markt: Die meisten Tankstellen-Gesellschaften und viele Convenience-Player arbeiten bereits mit der Plattform zusammen. Die Meldung ist deshalb interessant, weil die Oetker-Gruppe auch an Team Beverage maßgeblich beteiligt ist. Zudem hat sie über die Plattform Zugriff auf den kooperierenden Getränkefachgroßhandel.
Mit der Flaschenpost-Übernahme baut der Oetker-Konzern seine Position entlang der Wertschöpfungskette im Getränkemarkt in Deutschland also unverkennbar aus. Und das nicht nur im Einzelhandel, wo das Unternehmen bereits mit dem nach gleichem Geschäftsmodell arbeitenden Startup Durstexpress.de und mit rund 450 Filialen der Marke Getränke Hoffmann vertreten ist. Auch als Hersteller von Marken wie Radeberger, Jever, Schöfferhofer oder Clausthaler sowie mit dem Sekt- und Wein-Spezialisten Henkell-Freixenet ist die Gruppe aktiv. Hinzu kommt Team-Beverage.
Zugriff auf umfangreiche Daten
Alles dies ermöglicht dem Konzern den Zugriff auf umfangreiche Daten von Einzel- und Großhandelskunden auch derjenigen Händler, die mit Team Beverage kooperieren. Denn die Plattform nutzt offenbar die IT-Expertise von Software-Anbietern, die ebenfalls mit der Radeberger-Gruppe verbunden sind, wie es in Branchenkreisen heißt. Entsprechend hat der nun angekündigte Kauf viele Insider nicht wirklich überrascht. Hinter den Kulissen soll es aber noch weitere Interessenten für Flaschenpost gegeben haben. Von Coca-Cola oder Anheuser-Busch Inbev ist die Rede. Vielleicht war der Kaufpreis entscheidend, der Oetker den Zuschlag brachte. Er soll Brancheninformationen zufolge bei knapp einer Milliarde Euro liegen. Dr. Oetker teilte dazu Convenience Shop mit, Durstexpress und Flaschenpost ergänzten sich mit Blick auf ihre Liefernetze perfekt, so dass der geplante Zusammenschluss ein logischer Schritt sei. „Bis zur Freigabe durch die Kartellbehörde arbeiten beide Unternehmen getrennt weiter“, so das Unternehmen. Geleitet werden soll das erweiterte Unternehmen von einem Vorstand, der sich aus Mitgliedern des Vorstands von Flaschenpost sowie der Geschäftsführung von Durstexpress zusammensetzt. Dieser soll dann an einen neu aufgestellten Aufsichtsrat berichten. Der Online-Getränkelieferdienst werde also künftig – wohl bis auf weiteres – aus zwei zentralen Verwaltungen in Berlin und Münster gelenkt. Gemeinsam mit Oetker und Durstexpress dürfte aber wohl die Expansion von Flaschenpost zusätzlich Fahrt aufnehmen. Denn nicht nur die finanzielle Kraft des Konzerns und seine Vertikalisierung entlang der Wertschöpfungskette sprechen dafür. Auch die steigende Nachfrage im Onlinehandel weist in diese Richtung, ebenfalls im E-Food-Segment, beschleunigt durch Covid 19.
Lebensmittel im Angebot
Und auch der Ausbau des Sortiments durch die Hinzunahme eines Food-Angebots scheint möglich. Zumindest hat Flaschenpost im Sommer damit schon einmal experimentiert. Im Liefergebiet Münster offerierte der Onlinehändler neben Getränken auch Obst und Gemüse, Frischwaren und Tiefkühlprodukte. Rund 2.000 Artikel waren im Onlineshop zu finden. Wie es damit weitergeht, will sich die Konzernleitung noch offen halten. Es sei „noch zu früh“, dazu etwas zu sagen. Flaschenpost konnte erste aber Erfahrungen sammeln, „die wir zu gegebener Zeit auswerten werden und dann entscheiden“, so das Unternehmen.