Kooperation im Ruhrgebiet Der Test: Aral meets Rewe

Eine Kooperation von zwei Multis: Aral will an zehn Stationen im Düsseldorfer und Kölner Raum sowie um den Unternehmenssitz Bochum herum Rewe ToGo testen. Damit bricht eine neue Ära in der Convenience-Geschichte an, denn das Geschäft mit Frische hat es in diesem Umfang bei den Mineralölgesellschaften noch nicht gegeben.

Mittwoch, 14. Mai 2014 - Tankstelle
Ulrike Pütthoff
Artikelbild Der Test: Aral meets Rewe
...denn bis auf das charakteristische Blau der Mineralölgesellschaft, hat diese sich beim Außenauftritt ziemlich zurückgenommen.

Testen, testen, testen – bei der Rewe ist das so etwas wie ein geflügeltes Wort. Die Kölner sind neuen Formaten gegenüber aufgeschlossen, wenn sie sich vor einem flächendeckenden Rollout bewährt haben. Bei Rewe ToGo, der jungen Generation von Convenience-Shops, hat die Handelsorganisation mehrmals hingeschaut, bis sie mit dem Prototypen expandierte, und dann auch gemächlich. Bis dato waren alle Supermarkt-Konzepte darauf ausgelegt, die Kunden möglichst lange im Geschäft zu halten. Bei ToGo aber geht es um Schnelligkeit. Der Verbraucher soll in kürzester Zeit versorgt werden, mit frischen Nahrungsmitteln und Getränken, vor allem als Proviant für unterwegs bzw. den baldigen Verzehr.

Genau das ist ein Anliegen der Tankstellen-Shops und Kioske, nämlich den so genannten Mobile Eater zufrieden zustellen. Insofern war es nur eine Frage der Zeit, bis sich die hartnäckigen Spekulationen bewahrheiteten: Rewe und Aral machen gemeinsame Sache. Ready to start für das Konzept Rewe ToGo an Aral-Tankstellen. Fast auf den Tag genau drei Jahre nach der Rewe ToGo-Premiere adaptierten die Bochumer Anfang April den ersten Tankstellen-Shop, der die Handschrift des Handelsunternehmens trägt. Und Nr. 2 ist in Köln mittlerweile auch schon am Netz. Weitere acht Teststationen sollen bis Mitte August folgen.

Ein rasantes Tempo, das die beiden in der Testphase vorgeben: zehn Shops in gerade einmal fünf Monaten. Rewe selbst brauchte für fünf Objekte zuvor drei Jahre. Serienreif ist das Kooperations-Projekt deshalb lange noch nicht. Die Partner wollen die Entwicklung genau verfolgen und sind darauf vorbereitet, dass immer wieder am Sortiment gefeilt werden muss. Denn Benchmarks zur ultrafrischen Unterwegsversorgung gibt es auf dem deutschen Markt nicht sehr viele..

Insofern stehen die beiden Unternehmen nicht unter Zeitdruck und können die Entwicklung ein Jahr beobachten. Frühestens im Sommer 2015 wird entschieden, wie es weiter geht, ob ein Rollout sinnvoll ist und wie sich der an unterschiedlich strukturierten Tankstellen-Shops realisieren lässt. Um aufschlussreiche Ergebnisse zu bekommen, war auch die Wahl der Probanden entscheidend. Ausgelegt ist das ToGo-Programm für 80 bis 160 qm große Shops. Das erste Objekt in Düsseldorf hat 140 qm. Hochfrequenzlagen waren nicht das einzige Kriterium. Auch Stationen in der Stadt, in Randlagen und mit einem ländlich strukturierten Umfeld werden in diesem Sommer nach und nach umgerüstet, um das Tankstellen-Netz und seine spezifischen Eigenschaften im Test möglichst realistisch abzubilden.

Aral hat sich dabei im Auftritt deutlich zurückgenommen und das Shop-Innere komplett der Rewe bzw. deren ToGo-Aufmachung überlassen. Es soll aber auch Teststandorte geben, an denen eine Drei-Marke-Strategie, als Aral, PetitBistro und Rewe ToGo umgesetzt wird. Am Südring in Düsseldorf dominieren aber erst einmal innen die Rewe ToGo-Farben schwarz-grün. Die Kunden waren in den ersten Tagen nur irritiert, weil sie den Aral-Shop nicht fanden, und glaubten sich verlaufen zu haben.


Das sehen die Bochumer pragmatisch, sagen sie. Sie hatten schon vor zehn Jahren einen Trend gesetzt, als sie entschieden, die Verbraucher an Tankstellen nicht länger nur mit 08/15-Snacks abzuspeisen, sondern sich auf die Kaufmotive Hunger und Durst zu konzentrierten. Das Geschäft wurde kontinuierlich ausgebaut. PetitBistro entwickelte sich zu einer Gastro-Marke, und Aral führt schon seit Jahren mit 80.000 verkauften Bechern am Tag das Ranking der Coffee-to-go-Anbieter in Deutschland an. Im Februar 2013 lösten allerdings die neuen Crossinos die ehemaligen SuperSnacks ab. Begründung: In Convenience-Stores muss etwas getan werden. Eine gute Entscheidung, denn in nur zehn Monaten stieg der Absatz der belegten Baguettes um gut 40 Prozent gegenüber den Verkaufszahlen seines Vorgängern. 1,6 Mio. Mal griffen die Kunden schließlich zu.

Für die Aral-Tankstellenpächter (1.230 C-Stores führen Private) wird das Shop- und Bistro-Geschäft immer existenzieller. Dessen Umsatz steigt, je schwieriger der Kraftstoffhandel wird, und so nehmen die Pächter mittlerweile 62 Prozent ihrer Erträge im Shop ein. Vor diesem Hintergrund ist es erstaunlich, dass die Bochumer erwägen, das Zepter für das Sortiment aus der Hand zu geben. Rewe tritt nicht nur als Großhändler auf, sondern bringt auch sein ToGo-System ein. Aral listet die Artikel, und die Pächter haben die Preishoheit. Dennoch erstaunt, dass bei der Angebotszusammensetzung an Aral-Zeiten lediglich noch das Autopflege-Programm und die erwähnten Crossinos erinnern. Von denen sind jetzt nur noch drei der ehemals vier Sorten im Sortiment vertreten. Geliefert werden sie jetzt von Rewe, und es dürfte spannend sein, ob die Artikel so erfolgreichen waren, weil sie unter der Foodservice-Marke PetitBistro verkauft wurden, oder wegen ihres Geschmacks und de r Qualität.

Als Rainer Kraus, im Frühjahr 2013 noch Leiter Tankstellen- und Shopgeschäft von Aral, die neuen Baguettes vorstellte, verschwendete noch niemand einen Gedanken daran, dass sie eines Tages unter dem Rewe ToGo-Logo verkauft würden. Mittlerweile ist Kraus als Leiter für strategische Kooperationen bei Aral und damit für die Koordination mit der Kölner Handelsorganisation verantwortlich. Ihm zur Seite steht Projektleiterin Mechthild Menke. Sie bestätigt, dass bereits im Mai 2013 die Verträge für den Test geschlossen wurden, denn „das Convenience-Geschäft an Tankstellen befindet sich im Wandel. Mit Ausnahme des Bistro-Bereichs geraten die traditionellen Sortimente in den Tankstellenshops wie beispielsweise Zeitungen/Zeitschriften, Tabakwaren, Süßwaren und Alkohol, die entweder durch gesetzliche Einschränkungen oder durch die Ausweitung der Ladenöffnungszeiten unter Druck. Die Kunden kommen heute nicht mehr mangels Einkaufsalternative in die Tankstellensho ps, sondern weil sie sich aufgrund bestimmter Vorteile – wie beispielsweise der schnellen Einkaufsmöglichkeit oder der ansprechenden Produktauswahl – bewusst dafür entscheiden“.

Weil der Außer-Haus-Verzehr seit Jahren zunimmt und kleine schnelle Mahlzeiten immer häufiger die traditionellen Komplettmahlzeiten zu festen Terminen ersetzen, liegen die Chancen für Convenience auf der Hand. Der Schritt zur Kooperation war insofern konsequent: „Wir haben uns bewusst für Rewe als Partner entschieden, weil das Unternehmen eine führende Position bei der Entwicklung von Convenience-Formaten inne hat“, sagt Menke. Dabei gibt es in Österreich bereits eine Kooperation mit der Rewe bzw. deren Merkur-Tochter an BP-Tankstellen, dem Mutterkonzern von Aral. Die Zusammenarbeit lag seit 2011 im Verantwortungsbereich von Patrick Wendeler, dem bisherige Chef von BP Österreich. Er wechselte vor wenigen Wochen nach Deutschland, wo er die Aufgaben von Kraus als Leiter Tankstellen- und Shopgeschäft übernommen hat.

Fotos: Carsten Hoppen


Jedenfalls machen sich die Kölner sich u.a. die 24-Stunden-Öffnung der Tankstelle, wie am Düsseldorfer Südring, zu nutze, und Aral profitiert von der Frischekompetenz, macht aber auch einige Abstriche in wichtigen Sortimentsbereichen. Zum Beispiel wurde das Tabakwarenregal um rund die Hälfte auf Schnelldreher reduziert. Ein sehr mutiger Schritt, denn die Rauchwaren hat an den 1.230 gesellschaftseigenen Stationen im Schnitt einen Umsatzanteil von 54 Prozent (Stand Ende 2013). Doch wachsen wolle man über neue Sortimente und so hat man sich zum Beispiel von Kartenmaterial und Büchern ganz verabschiedet.

Der Tankstellen-Shop jüngster Generation präsentiert sich als ultramoderner Nahversorger, aber wird er stark frequentiert, könnte es auf Dauer einen Parkplatz-Engpass geben. Am Düsseldorfer Südring, gibt es zwar die Option, vor dem angrenzenden Burger King den Wagen abzustellen. Doch bequeme Tankkunden lassen ihr Auto auch gern an der Zapfsäule stehen, bis der Einkauf beendet ist.

Das Rewe ToGo-Konzept ist die Basis des neuen Shopkonzeptes, ergänzt um typische Tankstellen-Sortimente, die von Aral kommt. Alles, was die Kölner liefern, richtet sich an Kunden mit knappem Zeitbudget. Und das sind 1.200 Artikeln: gekühlte Convenience-Produkte wie Sandwiches, Wraps, Salate, Suppen, geschnittenes Obst, Gemüse, Desserts und trendige Fertiggerichte mit einer Restlaufzeit von nicht mehr als einem Tag. Idealerweise sollten sie sich mindestens einmal am Tag drehen.

Den Frische-Charakter des Angebotes demonstrieren schon im Eingang Körbe mit Obst sowie die Stolpertruhen mit Sushi. Zusätzlich gibt es ausgewählte Lebensmittel als Ergänzung zu den verschiedenen Mahlzeiten, also Müsli, Brotaufstriche, Pasta, Reis, Gewürze, etc. Für Rewe-Kenner dürfte es interessant sein, dass sich zahlreiche Eigenmarken darunter befinden. Und neu ist ein Backwarenangebot in Selbstbedienung, vergleichbar der Backstationen in Supermärkten und Discountern. Abgedeckt wird also der Bedarf vom Frühstück bis zum Abendbrot. Für sb-verpacktes Frischfleisch ist ein Gondelkopf-Kühlregal reserviert. Alles in allem bietet der ToGo also ein Ready-to-eat- und ein Ready-to-go-Programm.

Im Bistrobereich gibt es erstmals standardmäßig warme Speisen, wie halbe Hähnchen, Schnitzel, Frikadellen oder Leberkäse in einer Heißvitrine und natürlich die bereits erwähnten Crossinos. LED-Bildschirme weisen dort auch auf Kombiangebote, bestehend aus einem Getränke und einem Snack, hin. Beim Kaffee schenkt Rewe ihre Eigenmarke Feine Welt aus. Erhalten bleiben den Kunden ein gut sortiertes Getränkeangebot sowie süße und salzige Snacks. Die Grundausstattung an Drogerieartikeln setzt sich vor allem aus Single-Packungen zusammen.

Mehr oder weniger versteckt, befindet sich in einer Ecke ein abgespecktes Presse-Sortiment. Zeitungen und Zeitschriften sind in Tankstellen zwar kein Kundenmagnet mehr, gehören aber einfach dazu. Auch das Angebot an Impulsware in der Kassenzone ist auf die klassischen Schnelldreher geschrumpft. Stattdessen befinden sich an dieser recht prominenter Stelle Prepaid- und Geschenkkarten. Wer hier eine Checkout-Kasse im klassischen Rewe ToGo erwartet, der irrt. In dieser Hinsicht ist man beim typischen Kassen-Counter, wie man ihn in Tankstellen-Shops findet, geblieben.

Der Shop steckt also voller Frische, die über Streckenlieferanten kommt. Das lässt die Frage nach den Abschriften aufkommen, und da scheint es eine klare Trennung zu geben. Rewe liefert Konzept und Ware, Aral unterstütze die Pächter bei den Abschriften, deutet Menke an. Zum Teil handele es sich aber auch um Kommissionsware.

Fotos: Carsten Hoppen


Alles in allem bleiben die nächsten zwölf Monate spannend. Laufen die Tests erfolgreich, werden das Rheinland und Ruhrgebiet die Zelle für eine intensivere Kooperation jenseits der nordrhein-westfälischen Grenzen sein. Bundesweite Frischelieferanten scharren schon mit den Hufen und hoffen, sich bei einer Ausdehnung in ihre Region ein Stück vom Kuchen abschneiden zu können.

Lekkerland, Großhandelspartner von Aral, macht sich offizielle keine großen Sorgen, zeigt in seiner Stellungnahme sogar ein gewisses Verständnis für die Aral-Überlegungen: „Der Markt für Unterwegskonsum ist ständig in Bewegung und entwickelt sich kontinuierlich. Es gilt, den Verbraucher in diesem schwer umkämpften Markt für sich zu gewinnen. Insofern ist es üblich, neue Shopformate zu testen und zu prüfen, ob sie den Verbraucher überzeugen und am Markt erfolgreich sind. Auch Tests zwischen Mineralölgesellschaften und Lebensmitteleinzelhändlern sind nicht neu.“ Dass die Frechener den aktuellen Test zwischen ihrem Kunden Aral und Rewe ToGo mit großer Aufmerksamkeit verfolgen, ist logisch. Sie dürften mit ihrer Einschätzung auch völlig richtig liegen, dass Lekkerland und Aral auch weiterhin enge und gute Partner sein werden. Darum wurden die Frechener nach eigenen Angaben sehr eng in die Gespräche zum aktuellen Test eingebunden.

Presseberichten zufolge soll die Rewe schon rund 400 Tankstellen ausgemacht haben, die ein ToGo-Konzept vertragen könnten. Die Kölner müssen aber erst noch beweisen, dass sie eine reibungslose Warenlogistik für Kleinflächen, wie Lekkerland sie beherrscht, auf die Beine stellen können.

Fotos: Carsten Hoppen

Bilder zum Artikel

Bild öffnen Rewe über dem Eingang von Aral? Das hat in den ersten Tagen die Tankkunden irritiert...
Bild öffnen ...denn bis auf das charakteristische Blau der Mineralölgesellschaft, hat diese sich beim Außenauftritt ziemlich zurückgenommen.
Bild öffnen Frische Getränke stehen den Kunden stets zur Verfügung.
Bild öffnen Die Kunden sollen stets mit frischen Snacks bedient werden.
Bild öffnen Rewe ToGo lässt die Aral-Tankstellen in neuem Licht erstrahlen.
Bild öffnen Das Sortiment in den Tankstellen wird umfassender.
Bild öffnen Frisches Obst im Eingangsbereich, trendige Fertiggerichte in der Pluskühlung und kalte Getränke prägen das Bild des neuen Frische-Shops.
Bild öffnen Ein reichhaltiges Angebot soll jeden Kundenwunsch bedienen.
Bild öffnen Dabei ist nicht zu übersehen, dass das Tabakwarenangebot etwa auf die Hälfte geschrumpft ist. Hier konzentriert sich die Tankstelle auf die Schnelldreher.
Bild öffnen Rewe ToGo und Aral - eine Kooperation mit Zukunft?
Bild öffnen Das Sortiment richtet sich an Kunden mit knappem Zeitbudget.
Bild öffnen Viel Wert wird auch auf Frische gelegt.
Bild öffnen