Inter-Tabac Der ganz normale Wahnsinn

Die EU-Tabakprodukt-Richtlinie entpuppt sich für die Tabakwaren-Branche zum Wettlauf mit der Zeit. Um die bahnbrechenden neuen Vorgaben fristgerecht umsetzen zu können, muss die Bundesregierung die Richtlinie dringend in nationales Recht übertragen. Was auf die Hersteller zukommen wird, war ein Thema auf der Inter-tabac in Dortmund.

Mittwoch, 12. November 2014 - Tabak
Ulrike Pütthoff
Artikelbild Der ganz normale Wahnsinn
Dem Packaging wurde auf der Inter-Tabac diesmal viel Platz eingeräumt.

Es gibt europäische Regulierungen, die haben Schlagzeilen gemacht. Manche sind nützlich und sinnvoll, anderen lediglich ein Symbol für überflüssigen Bürokratismus. In der neuen Tabakprodukt-Richtlinie (TPD 2) steckt von beidem etwas. Dennoch, bis Mai 2016 muss muss sie EU-Weit umgesetzt sein. Positives können Hersteller, Händler und Verbände den neuen Richtlinien allerdings nicht abgewinnen. Im Gegenteil, die umfassenden Regulierungen könnten sogar kontraproduktiv sein. So meinte Jan Mücke, neuer Geschäftsführer des Deutschen Zigarettenverbandes (DZV), dass der Jugendschutz, der mit der jüngsten TPD eigentlich gestärkt werden sollte, der Verlierer sein wird. Denn nur durch den legalen Verkauf könne dieser effizient und flächendeckend gewährleistet werden.

Ein Vertreter aus den Reihen der Hersteller sieht aus einem anderen Grund noch schwarz: Nach 2020, wenn Menthol-Zigaretten nicht mehr legal in Umlauf gebracht werden dürfen, bliebe den Rauchern eigentlich nur noch der Griff zur Schmuggelware. Mücke, ehemaliger Staatssekretär im Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung, rechnet vor, was dem Fiskus durch nicht versteuerte, illegale Ware jährlich entgeht: „Das entspricht dem 3,5-Fachen der Jahreseinnahmen für die geplante Maut.“ Er kann sich nicht vorstellen, dass die von der EU verordnete Rückverfolgbarkeit den illegalen Handel eindämmen wird, was eigentlich das Ziel von Track and Trace sein soll.

Zwar ist heute immer noch jede fünfte gerauchte Zigarette nicht in Deutschland versteuert und ihr Anteil ist im vergangenen Jahr sogar noch um 1,1 Prozentpunkte auf 21,7 Prozent gestiegen. Der Staat konnte trotzdem im 1. Halbjahr 2014 ein Plus von 2,1 Prozent verbuchen. Das geht auf die vierte Tabaksteuer-Anpassung zum Jahresbeginn zurück. Patrick Engels, Vorsitzender des Verbandes der Deutschen Rauchtabakindustrie (VdR), lobt ausdrücklich den Fünf-Stufenplan: „Die aktuelle Tabaksteuererhöhung ist ein Erfolgsmodell, weil durch die kleinen Schritte eine gewisse Marktkonstanz gegeben und eine Abwanderung zu nicht versteuerten Zigaretten gebremst ist.“

Doch ist es der Tabakwaren-Branche trotz zahlreicher Restriktionen bisher immer wieder gelungen, die Hürden zu überwinden, macht sich jetzt Ratlosigkeit breit. Die neue TPD gibt zwar die Bedingungen vor, lässt Hersteller und Händler bei der Umsetzung aber im Regen stehen. Rainer von Bötticher, Präsident des Bundesverbandes des Tabakwaren-Einzelhandels (BTWE), spricht sogar von Merkwürdigkeiten in der Richtlinie, nicht nur beim Pfeifen- und Schnupftabak. Stichwort Aromen: Ihre Verwendung bleibt zwar weiterhin zulässig, sie dürfen auf der Packung aber nicht benannt werden. Da fragt man sich natürlich, wie künftig im Verkaufsraum etwa die Handelsgold Sweet-Range mit ihren Geschmacksrichtungen von Apple über Chocolate bis Vanilia unterschieden werden kann. Ein Problem das Hersteller, wie in diesem Falle Arnold André zu lösen haben.

Fotos: Messe Westfallenhallen Dortmund


Auch dem weltweit größten Produzenten, Pöschl Tabak, gibt die fehlende Aromenkennzeichnung Rätsel auf. Geschäftsführer Patrick Engels: „Das ist genauso als biete man Saft an, schreibe aber nicht darauf, dass es sich um Orangensaft handelt.“ Selbst eine farbliche Differenzierung sorge da für Irritation. Rot steht nun einmal für Raspberry und Cherry, und beide Sorten hat Pöschl im Snuff-Programm. Ob Aroma-Strips auch davon betroffen sind, weiß Engels nicht. Die KA Aroma Marketing Oy stellte die so genannten Crisp Flavour Strips auf der Inter-tabac erstmals vor. Sie werden in die Zigarettenpackung gesteckt und geben in zehn bis 15 Minuten das Aroma an die Zigaretten ab.

Als gesundheitlich bessere Alternative wurde auch den E-Zigaretten in diesem Jahr in Dortmund viel Aufmerksamkeit geschenkt. In anderen Ländern ist sie bereits etabliert, während sie hier zu Lande noch ein Nischendasein fristet. In der TPD 2 wird sie zwar als „tabakverwandtes Produkt“ berücksichtigst, doch aktuell bewegt sie sich noch in einer rechtlichen Grauzone. Das Kölner Verwaltungsgericht entschied beispielsweise kürzlich, dass E-Zigaretten nicht unter das Nichtraucherschutzgesetzt fallen und in Gaststätten gedampft werden dürfen.

Stein des Anstoßes waren vor allem fehlende Qualitätsstandards bei E-Zigaretten aus fernen Ländern. Deutsche Hersteller, wie die Snoke GmbH, distanzieren sich davon. So unterliegen dort die Produktionsprozesse und die Qualität strengen Richtlinien und Kontrollen. Die Liquids in Hygieneräumen werden unter pharmazeutischer Aufsicht in die Cartomizer abgefüllt. Die Inhaltsstoffe beziehen die Bonner ausschließlich von deutschen und pharmazeutischen Unternehmen.

Für BTWE-Präsident Rainer von Bötticher, der selbst eine Kette von Tabakfachmärkten betreibt, spiegelt die Marktentwicklung noch ein sehr undifferenziertes Bild wider. Er hat den Eindruck, dass mehr darüber geschrieben, als dass sie benutzt wird. Doch Fachgroßhändler wie Lekkerland und MCS Marketing und Convenience-Shop System haben sie längst in der Listung. MCS weist darauf hin, dass grundsätzlich die Abgabe an Jugendliche unter 18 Jahren momentan erlaubt ist. Die Produzenten raten aber dringend davon ab. Damit vermeidet man bereits im Vorfeld, dass politische Entscheidungsträger für große Unsicherheiten im Markt sorgen.

Fotos: Messe Westfallenhallen Dortmund


Auch wenn die Zigarrenindustrie von der Tabakprodukt-Richtlinie nicht so hart betroffen ist wie die Zigarettenhersteller, sorgt sie doch auch dort für Unklarheit, sagte der Geschäftsführer ihres Bundesverbandes, Bodo Mehrlein. Er zitierte den Artikel 11 (1) der TPD. Darin heißt es, dass bei Packungen mit Klappdeckeln die Warnhinweise „auf die nächste am ehesten ins Auge fallende Fläche gehören, die bei geöffneter Packung sichtbar ist“. Im Klartext: fest geklebt oder gedruckt gehören sie in den Deckel. „Das ist als bringen Sie ein Nummernschild unter der Motorhaube an“, veranschaulicht Mehrlein.

Auf der Inter-tabac waren sich die Branchenvertreter jedenfalls einig: Die TPD enthalte mittelstandsfeindliche Fakten, da sie einer ganzen Berufsgruppe das Füllen einer Nische erschwerten. Außerdem sei Track and Trace vom Mittelstand organisatorisch und finanziell nicht zu stemmen. Einige sehen in der TPD eine Disharmonisierung, denn die Verordnung stehe gegen die Idee der Vereinheitlichung innerhalb der EU. Angesichts der Unklarheiten in der Tabakprodukt-Richtlinie nimmt Patrick Engels, der gleichzeitig Vorsitzender des Verbandes der deutschen Rauchtabakindustrie ist, kein Blatt vor den Mund: „Die Direktrive kann auch als staatlich gelenkte Wettbewerbspolitik aufgefasst werden.“ Er meint, dass damit ein gewisser technologischer und finanzieller Aufwand in Gang gesetzt werde, und das unter einem massiven Zeitdruck. Und wenn ein Hersteller die TPD-Umsetzung nicht fristgerecht schafft, bekommt er Probleme.

Doch bevor der Prozess in Gang kommt, brauche die Branche Planungssicherheit, sagt DZV-Geschäftsführer Jan Mücke. Die Umsetzung in nationales Recht sei schon fast überfällig. Und Reemtsma denkt schon einen Schritt weiter: Auch die Übergangsfristen, ob etwa ein Abverkauf nach Mai 2016 noch möglich ist.

Fotos: Messe Westfallenhallen Dortmund

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