Handel und Wandel Das Treffen der Profis

Es ging um Allianzen zwischen Händlern und Mineralölgesellschaften, und darum, wie man mit Formaten, Sortimenten und dem Foodservice die hybriden Shoppertypen ansprechen kann: eine Fundgrube fürs Unternehmertum auf kleiner Fläche.

Freitag, 27. März 2015 - Tankstelle
Ulrike Pütthoff
Artikelbild Das Treffen der Profis
Podiumsdiskussion der Tankstellen v.r. Matthias Pape, Aral; Norbert Kumor,  Westfalen AG, und  Carsten Nolof, Total.

Direkte Kommunikation und Erfah‧rungsaustausch, die gemeinsame Suche nach Ideen und neuen Ansätzen sind die Klammer für die shop-spezifische Tagung. Wettbewerbsdenken ist den Teilnehmern fremd. Gemeinsam verfolgen sie ein und das selbe Ziel: Das Shop-Geschäft voranbringen, in dem man Trends erkennt und verfolgt, von den Standards auch einmal abweicht und kritische Worte als Denkanstoß akzeptiert. Vor diesem Hintergrund hielt Bert Martin Ohnemüller den Branchenvertretern den Spiele vor. „Wir glauben immer, in der Dekade der Qualität zu stecken, aber die einzigen, die keine Qualität zeigen, sind die Tankstellen“, provozierte der Geschäftsführer der Neuromerchandising-Group. Das heißt, den Menschen verstehen, und die Welt mit anderen Auge sehen. Ohnemüller bedient sich dabei der Hirnforschung, und die sagt ihm, dass das Gehirn nicht denkt, sondern eine Fühlmaschine sei. Daraus leitet er seine Verkaufstheorie ab: „Wir sind in Tankstellen-Shops zu ver kopft und überfordern die Shopper.“ Er sprach in dem Zusammenhang sogar von Wertevernichtung. Besser solle man alles weglassen, was den Kunden überlaste, wie etwa Coupons, und sich in Richtung Emotionalität orientieren. Negative Emotionen seien aber zu vermeiden, die seien immer stärker als positive.

 „Die Reisenden werden immer anspruchsvoller.“ Horst Mutsch, DB Station & Service

Ohnemüller sucht nach neuen Wegen: „Tankstellen-Shops stecken in der Krise, und Krise ist der Motor für Veränderungen.“ Er appelliert dabei an Simplifizierung und reduziert die Maßnahmen vor allem auf Sauberkeit und Freundlichkeit. Damit lasse sich im ersten Falle durchaus eine Umsatzsteigerung von 5 Prozent realisieren, mit Freundlichkeit sogar 25 Prozent. Mit zum Beispiel einem Facing mehr wäre das nicht möglich.

Für Lekkerland-Chef Michael Hoffmann dürfte diese Art der Simplifizierung keine befriedigende Antwort gewesen sein. Den „alten Trott“ hinter sich lassen - dem stimmte er zu, doch die unterschiedlichen Ansprüche und Vorlieben der Käufertypen müssen auch erkannt und unter einen Hut gebracht werden. Davon ausgehend, dass Mobilität der zentrale Treiber in der Unterwegsversorgung ist, gewinnen seiner Meinung nach neue Formate, die auch die Sortimentstrends bedienen, an Bedeutung. Das heißt, den Gedanken von längeren Öffnungszeiten, hoher Filialdichte und Preistransparenz beim Verbraucher auch einmal zu lösen, und sich mit der soziodemografischen Entwicklung, gesunden und frischen Sortimenten sowie dem zielgruppengerichteten Service und auch dem E-Commerce auseinander zu setzen.


Hoffmann ergänzte: „Es gibt keine Abkürzung zum Erfolg. Wir brauchen modulare Konzepte, die anpassungsfähig und maßgeschneidert sind und die Eigenmarken eine größere Bedeutung geben.“ Einen durchaus gangbarer Weg sind für ihn Kooperationen mit Partnern, die zusammen mit den Frechenern modulare Sortimentslösungen auf die Beine stellen. Mit Lavazza und Hack habe man zum Beispiel gute Erfahrungen gemacht und sinnvolle Allianzen für den Foodservice-Bereich geschmiedet, weil über diese Zusammenarbeit die besten Lösungen für Kunden und Verbraucher entstanden seien. Sein Unternehmen sei nicht nur „ein Unternehmen, das sich in der Strategie völlig dem Convenience-Markt verschrieben“ habe, sondern wolle sich weiterhin stark auf das Tankstellengeschäft konzentrieren. Befragt nach den Aussichten im Tankstellen-Business sagte er: „Die Antwort ist zu 100 Prozent: Es gibt dort riesige Chancen.“

Sehr aufschlussreich war dazu auch die Podiumsdiskussion zwischen drei Vertretern von Mineralölfirmen. Matthias Pape, Leiter Foodservice bei Aral, Carsten Nolof, Leiter Fachbereich Marketing/Shop Foodservice bei Total, und Norbert Kumor, Leiter Shop-Geschäft bei der Westfalen AG, waren sich einig, dass der Foodservice ein großes Thema ist. Als Vorteil werteten sie auch die Partnerschaften, denn damit habe man auch Zugriff auf viel Know-how. Uninteressant seien Allianzen allerdings dann, wenn alles über einen Kamm geschoren werde. Schließlich hätten sie den Sinn und Zweck, die Tankstellen-Betreiber zu entlasten, dass diese sich den Kunden vor Ort widmen und ihr Shop-Angebot verkaufen können.

Doch was erwarten die Kunden an Tankstellen überhaupt. Hoffmann und auch Reiner Graul, Geschäftsführender Gesellschafter der Unternehmensberatung, stützten ihre Erkenntnisse auf die B&G-Untersuchung Shopper Monitor. Danach wünschen die Konsumenten eine größere Auswahl an Getränken, frischen Backwaren, heißen Kaffeespezialitäten – kurz ein attraktives Angebot im Foodservicebereich. Doch das derzeitige Angebot bewerten die Kunden eher mit „schwach“. Auf einer Skala von sehrgut bis mangelhaft vergeben sie sowohl für frische Salate und Obst wie auch für warme Speisen eine 3,5. Die Bereiche Gastro und Frische treten auf der Stelle, so Grauls Fazit. Beim Service kristallisiert sich heraus, dass Geldautomaten und Paketdienste gewünscht sind.

Später betonte Nathalie Knipp von Bundesverband der Vending-Automatenwirtschaft (bdv), dass der Automat zusammen mit den Convenience-Shops eine gute Chance hat, sich weiter zu entwickeln. Als schwierig erweist sich laut Graul nach wie vor auch die Wahrnehmung von Promotions. Innovationen wären darum dort angebracht. Des Weiteren rät er, neue Medien zur differenzierten Kundenansprache zu nutzen.


Nicht zu vernachlässigen ist für Gastro-Berater und Trainer Jean Ploner, dass die angebotenen Dienstleistungen nicht nur für die Kunden, sondern auch für die Mitarbeiter machbar sein müssen. Um die Kunden zu begeistern seien Mitarbeiter notwendig, die Fachkompetenz mit persönlicher Kompetenz verbinden. Dahin müssen sie auch von den Chefs geführt werden. Ploner: „Schlechter Service passiert von allein, guter Service muss gemanagt werden.“

„Die Kunden wollten immer auch einen lohnenden Halt einlegen.“ Stefan Weber, Causualfood

Davon ist auch Stefan Weber von Casualfood überzeugt, dessen Unternehmen sich anschickt, vom Flughafen aus mit seinen erfolgreichen Konzepten jetzt weitere Bereiche des Convenience-Marktes zu erobern. Aktuell testet das Unternehmen zwei Standorte an der Autobahn. Und auch hier steht das Bemühen um Servive im Vordergrund. „Die Kunden wollten immer auch einen lohnenden Halt einlegen“, so Weber. Und dafür, dass sie etwas als lohnend empfinden, muss in der Branche immer mehr getan werden. Das betonte auch Horst Mutsch, Leiter Geschäftseinheit Vermietung DB Station & Service. „Die Reisenden werden immer anspruchsvoller“, sagte er. Aktuell hat die Bahn laut Mutsch etwa 10.500 Mietverträge und etwa 3.500 Mieter und macht damit einen Umsatz von 370. Mio. Euro. Zurzeit sind bei DB Station & Service noch 1.100 Gebäude im Portfolio, aber laut Mutsch ist es kein Geheimnis, dass man sich weiter von Bahnhöfen trennen müsse: „Wir müssen runter auf 500 Ge bäude, die wir uns nachhaltig und langfristig leisten können“, sagt er. Bei den Konzepten, die im Bahnhof erfolgreich sind, hat er neben Frische und Attraktivität vor allem intelligente Einfachheit als Erfolgsfaktor identifiziert. Angesprochen würden die Kunden verstärkt auch von dem Thema gesunde Ernährung: „Für gesunde Angebote darf es auch bei der Jugend der Euro mehr sein“, ist er überzeugt. Hohe Erwartungen setzt er außerdem in die Verbreitung des Konzeptes Service-Store DB. Die 135 Standorte reichen ihm bei weitem nicht, er erwartet in Zukunft 250 Standorte Minimum.

Weiter positive Erwartungen an das Convenience-Geschäft haben auch die Markenartikler, allen voran Mars. Obwohl das Unternehmen bereits 50.000 Outlets mit 200.000 Besuchen im Jahr betreut, sieht Thomas Ihrig, Account Director Impulse, weitere Möglichkeiten: „Die Schokoladenpenetration ist steigerbar“, so Ihrig. Im Mittelpunkt stehe für das Unternehmen dabei, Konzepte zur Vereinfachung von Kaufentscheidungen zu entwickeln. Seinen Teil dazu beitragen könnte künftig auch die Digitalisierung in der Convenience-Branche. Von der Information und gezielten Ansprache der Kunden vor und während des Einkaufs bis hin zu digitalen Bezahlsystemen per Handy reichen die Möglichkeiten und noch darüber hinaus. Im Rahmen einer Experten-Diskussion über dieses Thema wurde sehr deutlich, dass sich auch der Alltag in modernen Convenience-Stores dadurch deutlich verändern wird. Der Kontakt zu den Kunden wird sich intensivieren und diese werden ihre Bedürfnisse deutlicher kom munizieren.

Bilder zum Artikel

Bild öffnen
Bild öffnen Podiumsdiskussion der Tankstellen v.r. Matthias Pape, Aral; Norbert Kumor,  Westfalen AG, und  Carsten Nolof, Total.
Bild öffnen Redner mit Esprit sorgten für gute Laune im Publikum: Ebenso  konzentriert wie aktiv verfolgte  das Fachpublikum das zweitägige  Kongressprogramm in Köln.
Bild öffnen Sie durften den versammelten Convenience-Strategen ihre Wünsche und Anregungen mit auf den Weg geben: Verbraucher, die zu einer besonderen Diskussionsrunde eingeladen wurden.
Bild öffnen Graf Bühlow, seit mehr als 25 Jahren Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes Freier Tankstellen, erläuterte den interessierten Zuhörern, wie die Dinge im politischen Berlin stehen.
Bild öffnen Gastro-Berater und -Trainer Jean Ploner weiß, dass die Branche Mitarbeiter mit Fachkompetenz und persönlicher Kompetenz braucht, um Kunden zu  begeistern.
Bild öffnen Das Thema Digitalisierung, von der Information und gezielten Ansprache der Kunden bis hin zu digitalen Bezahlsystemen per Handy, wurde in Köln ebenfalls diskutiert. Klar ist: Der Alltag in modernen C-Stores wird sich dadurch deutlich verändern.