Lieferdienste Neue Konzepte bewegen den Markt

Die Convenience-Kunden werden ihre Erwartungen an bequemes Einkaufen in der kommende Zeit verändern. Das Thema Lieferung wird eine deutlich größere Rolle spielen. CS hat sich umgeschaut, was sich national und international auf diesem Feld für die Branche entwickelt.

Donnerstag, 30. Juli 2020 - E-Food
Hans Jürgen Krone
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Das Thema Lieferdienste hat sich in Zeiten der Pandemie „überschlagen“. Kein Wunder, da die Menschen, die ja auch einkaufen mussten, kaum aus dem Haus durften oder sollten. Wie sich dieses Geschäft jetzt weiter entwickelt, kann niemand mit Gewissheit voraussagen, auch wenn nun die erstaunlichsten Erwartungen und Ausblicke in den Raum gestellt werden. Aber die Zeit, in denen diese Vertriebskanäle mit Umsatzanteilen im Food-Retail zwischen ein und zwei Prozent vor sich hin „dümpelten“ und von weiten Teilen der Gesellschaft, vor allem älteren Menschen, geflissentlich ignoriert wurden, sind jetzt wohl vorbei. Die Kernbotschaft ist jetzt sicherlich von Millionen von Menschen verstanden worden.

Im Rahmen der aktuellen Studie „Connected Retail 2020“ des Forschungsisntituts EHI wird sehr konkret deutlich, dass sich die Handelslandschaft in Zeiten der Corona-Krise „immer schneller und zunehmend digitaler entwickelt“. Demnach bieten mehr als 30 Prozent der befragten Händler nun neue Services, zum Teil angetrieben durch die Folgen von Covid-19. Der Handel wolle aber nicht nur digitaler werden, sondern darüber hinaus seine Online- und Offline-Kanäle miteinander vernetzen. Während mehr als die Hälfte der befragten Unternehmen bereits über eine App verfügt, planen 29 Prozent künftig den Aufbau einer mobilen Applikation, eine Marktplatzanbindung oder möchten sogar selbst zur Plattform werden. Alle seien sich laut EHI einig, dass stationäre Geschäfte durch die Verknüpfung mit digitalen Touchpoints künftig mehr anbieten müssten als den reinen Verkauf von Produkten. Click & Collect, Instore Order und Instore Return seien dabei relevante Stichwörter und spielten bei der nahtlosen Customer Journey eine wichtige Rolle. Neue Anlaufstellen wie Abholpunkte, Logistik-Hubs und Pop-up Stores sorgten zusätzlich für eine Belebung der Einkaufsorte wie der Innenstädte.
 
Relevanz für C-Stores
Dass die E-Food-Anbieter mit ihren bequemen Einkaufsangeboten per Lieferung selbst ein besonderer Teil der Convenience-Branche sind, ist eine Einschätzung, die sich inzwischen international durchsetzt. So ist es kein Zufall, dass viele der E-Food-Anbieter internationale Abwandlungen des Begriffs Convenience in ihren Namen integriert haben oder Slogans wie „The convenience store at your door“ verwenden. Diese Entwicklung wurde von Convenience Shop bereits durch die Integration der wichtigsten E-Food-Anbieter in seine Leserschaft ebenfalls konsequent nachvollzogen. Doch jetzt, wo die Anbieter beginnen, sich wirklich breit im Markt zu etablieren, müssen sich Tankstellen-Shops & Co. fragen, was das eigentlich für ihr Geschäft heißt. Sind diese Anbieter Wettbewerber der Convenience Stores, oder könnten sie auch Partner sein und sollten die Stores vielleicht auch selber zu Playern in diesem Geschäft werden?

Wie relevant die Frage ist, machte auch Lekkerland-Chef Patrick Steppe in seinem jüngst gehaltenen Online-Vortrag im Nachgang der Jahrestagung „Handel und Wandel in Tankstellen“, über den wir in der Ausgabe 4/2020 von CS berichteten, deutlich. Er sagte, dass die Lieferdienste wohl auch für diesen Markt die Rahmenbedingungen deutlich verändern könnten. Die Lieferdienste seien eben eine bequeme Alternative und hätten dazu noch einen umfassenden Anspruch, was das Sortiment angeht.„Covid-19 unterstützt den Vormarsch der Lieferdienste, denn der stationäre Handel muss sich aktuell stark anpassen“, so Steppes Erkenntnis.
Ein Blick nach Übersee, aber auch in die europäische Nachbarschaft und auf den eigenen deutschen Markt, zeigt sehr deutlich, dass drei Stichworte in diesem Zusammenhang eine Rolle spielen: Wettbewerb, Partnerschaft und E-Food-Stores:

Wettbewerb
Natürlich sind die digitalen Anbieter, so lange sie nicht Ableger etablierter Händlern sind, immer Wettbewerber aller bequemen Anbieter. Jetzt aber schicken sich einige an, sogar den Convenience-Markt als Impuls-Geschäft stark anzugreifen. Wer die Produkte, die er spontan braucht, nämlich auch innerhalb einer Stunde oder sogar vermeintlich in bis zu zehn Minuten in Großstädten nach Hause geliefert bekommen kann, der könnte sich wirklich auch den Weg zum Convenience Store sparen.

Das Funktionieren dieser Form von blitzartiger Belieferung mit dem Versprechen, schneller zu sein als man es selbst erledigen könnte, eben „ faster than you“ will jetzt das Startup Gorillas Technologies im Berliner Stadtteil Prenzlauer Berg, in dem immerhin etwa 180.000 Menschen leben, unter Beweis stellen. Die App soll eine schnelle Bearbeitung der Bestellungen organisieren. „Die App-Oberfläche ist klar, modern und die Benutzerführung super einfach. Voraussichtliche Bestellzeiten werden prominent angezeigt, die App ist auf das Wesentliche reduziert. Registrierung, Bestellung und Checkout wird innerhalb weniger Klicks erledigt, die Kurierfahrer sind per GPS-Tracking verfolgbar“, urteilt der Branchendienst Mobilbranche.de. Die Preise sollen ähnlich wie in Supermärkten sein, geliefert werden soll bis zwei Uhr morgens und das ohne Mindestbestellwert: „Wir sind bis Mitternacht und sogar sonntags für Dich da“, sagt das Unternehmen selbst.

Ein ambitioniertes Vorhaben, zumal ja die Zusammenstellung der Ware, dem Vernehmen nach aus eigenem Mini-Lager, und die Auslieferung per Fahrrad insgesamt nur zehn Minuten dauern soll. Das Versprechen des Unternehmens wird allerdings mit etwas Vorsicht vorgetragen: „Wir sind in durchschnittlich zehn Minuten bei Dir“. Erste Tests haben dem Vernehmen nach ergeben, dass das Sortiment zum Start bereits relativ umfangreich sei. Oft seien aber nur wenige Mengen jedes Produkts verfügbar. Frischfleisch ist nicht im Angebot, es gibt, von Backwaren bis hin zu Tiefkühlkost und frischem Obst und Gemüse eine breite Sortimentspalette. Hinter dem Startup sollen ehemalige Mitarbeiter von Hello Fresh und Rocket Internet stehen.

Neben diesem neuen Blitzservice schickt sich wohl ein weiterer ernst zu nehmender Wettbewerber von Picnic, Rewe.de & Co., der Online-Supermarkt Rohlik aus Tschechien, an, seinen Start in Deutschland und Österreich, der ursprünglich erst für 2025 geplant gewesen sei, vorzuziehen. Laut eines Berichts des Magazins Chip soll bereits Ende dieses Jahres die erste Rohlik-Filiale in München eröffnet werden. Der Newcomer ist kein kleiner Player: 147 Millionen Euro soll der E-Food-Anbieter bereits umsetzen, und damit schon profitabel arbeiten.

Partnerschaft
Bei dieser Entwicklungen rund um E-Food liegt natürlich der Gedanke nahe, als Convenience Stores mit der Hilfe von Partnern auch selbst zu profitieren. Auch diese Idee wird inzwischen international bereits intensiv getestet und vorexerziert.

Beispiel Spanien: Dass Lieferanten auch spannende Partner für Tankstellen sein können, ist in Spanien bereits Realität. Convenience Shops spielen hier im E-Food-Geschäft eine Rolle. Dreh- und Angelpunkt dieser Entwicklung ist der Lieferservice Glovo, der dort 2015 als Startup gegründet wurde. Wohl auch angesichts der Corona Krise, schlossen dort sowohl Carrefour für seine Shops an Chepsa-Tankstellen als auch BP für einige seiner Tankstellen-Shops eine Vereinbarung. Kern der Sache: Bei BP werden 180 Artikel, darunter Grundnahrungsmittel wie Öl, Mineralwasser, Reis, Nudeln, Milchprodukte, Hygiene- und Reinigungsprodukte sowie Erfrischungsgetränke, Snacks oder Süßigkeiten in den Tankstellen-Shops kommissioniert und dann sofort ausgeliefert. Damit bekommen die Verkaufsräume eine Doppelfunktion, nämlich als Verkaufsort aber auch als eine Art Lager, in dem kurzfristig die Ware für den Lieferservice kommissioniert wird. Das kann und muss schnell gehen, denn die Verantwortlichen versprechen auch hier im städtischen Umfeld eine Lieferzeit von etwa 30 Minuten.

Derzeit stehen in acht Städten 17 Filialen der BP-eigenen Tankstellen im Dienst dieser Allianz, insbesondere in Madrid, Barcelona, ​​Malaga, Castellón, Valencia, Alcalá de Henares, Alcobendas und Badalona. BP erwartet selbst, dass in kurzer Zeit alle Stationen des Netzes auf nationaler Ebene einbezogen werden könnten. Geliefert werden soll an sieben Tagen in der Woche, rund um die Uhr. Um die Lieferungen durchzuführen, folgen BP und Glovo dem von der Mineralölgesellschaft entworfenen Covid 19 Eindämmungsplan für das eigene Netz von Tankstellen, bei dem der Kontakt vollständig vermieden wird, um die Sicherheit der Filialmitarbeiter und Kunden zu garantieren. Glovo führt außerdem „kontaktlose“ Lieferungen durch. Die Kunden können den Zusteller auch bitten, die Bestellung bei Lieferung, einfach vor die Tür zu stellen.
Registriert hat das natürlich auch Aral-Chef Patrick Wendeler, der kürzlich in einem Interview mit der Welt zu dieser Partnerschaft sagte: „Noch haben wir so etwas nicht in Deutschland, aber denkbar ist es auch hier.“

Beispiel USA: Der Lieferservice Door Dash gab kürzlich bekannt, dass er künftig ebenfalls von Convenience Stores, wie 7-Eleven, Wawa, Circle K, Casey’s General Store und anderen aus liefern will. Erste vorsichtige Test hatten Anfang des Jahres begonnen, mündeten aber nach Beginn der Pandemie schnell in einen umfassenden Plan. US-weit seien es 1.800 Convenience-Store-Standorte, von denen aus Produkte wie Toilettenpapier, Reinigungsmittel, heiße und kalte Snacks sowie Getränke geliefert werden. Besonders interessant ist, dass man hier auch die Lieferung nicht rezeptpflichtiger Medikamente anbieten kann, die in den dortigen Convenience-Stores ohnehin ein wichtiger Sortimentsbereich sind. Das ist in Deutschland so bisher nicht möglich, wäre aber sicherlich wünschenswert.

Door Dash war zunächst auch Partner von Branchenprimus 7-Eleven, der bereits mit seiner eigenen 7 Now Delivery-App aktiv war und dann auch die erste Partnerschaft mit der Door Dash-App schloss. All das ist auch Teil des Ringens der so genannten „Big Four“ im Bereich Heim-Belieferung in den USA. Hier kontrollieren Door Dash, Postmates, Uber Eats and Grubhub zusammen bereits mehr als 75 Prozent des Lieferservice-Marktes. Dass sich dieser Kampf verstärkt, zeigte jüngst eine Meldung des Wall Street Journals unter Berufung auf Insiderinformationen, dass Uber darüber verhandele, den Wettbewerber Postmates Inc. für etwa 2,6 Milliarden US-Dollar zu kaufen.

Beispiel Vereinigte Arabisch Emirate: Die globale Ausrichtungen dieses Lieferservice-Partnerschafts-Trends zeigt sich auch in den Vereinigten Arabischen Emiraten. Hier ist es die führende Convenience Store-Kette Zoom, die dieses Angebot zusammen mit dem Lieferservice Talabat macht. Wie Petrol Plaza berichtet, soll das Konzept bereits an allen 51 Standalone-Shops des Unternehmens umgesetzt sein. Dazu kämen zusätzlich 50 Zoom-Stores an Enoc-Tankstellen, die das System bis Ende August im ganzen Netz umsetzen würden.

E-Food-Stores
Die Shop-Betreiber müssen sich vor diesem Hintergrund auch hier zu Lande überlegen, ob man als Shop-Betreiber nicht einen eigenen E-Food-Store betreiben kann. Laut der Association of Convenience Stores (ACS) in Großbritannien tun das dort bereits zwölf Prozent der Shop-Betreiber. Immerhin 26 Prozent bieten bereits Click & Collect an, das heißt, die Kunden suchen die Produkte online aus, bezahlen online und holen dann die verpackte Ware nur noch im Shop ab.

Demgegenüber ist ein richtiger Lieferservice allerdings viel aufwändiger. Dennoch macht der eine oder andere Anbieter auch in Deutschland bereits von einzelnen Shops oder kleinen Ketten aus ein solches Angebot, das hier und da wohl durchaus gut angenommen wird. Vor der Realisierung stehen aber viele hohe Hürden. Manche sind natürlich landesspezifisch, im Grunde lässt sich die Herausforderung aber, wie es der ACS jüngst getan hat, national auf vier Hauptpunkte herunterbrechen:

Die Branche muss sich in den kommenden Monaten damit beschäftigen, dass die Kunden Convenience für sich künftig anders definieren. Lieferservices gehören wohl künftig zum Alltag und werden deutlich selbstverständlicher genutzt als bisher. Convenience-Shops, die sich für dieses Umsatz-Potenzial interessieren, müssen deshalb über ihr rein standortorientiertes Konzept hinausdenken. Was vor Ort wirklich Sinn macht, hängt natürlich von den jeweiligen Gegebenheiten ab. Sicherlich wird die eine oder andere Zentrale entsprechende Konzepte erarbeiten und ihren Partnern zur Verfügung stellen und auch die Großhändler werden bestimmt ihren Services für Shop-Betreiber in diese Richtung weiterentwickeln.