Tabak Marken für Margen

Noch ist nicht aller Tage Abend: Die Vorschläge zur neuen Tabakprodukt-Richtlinie müssen noch das EU-Parlament passieren. Hersteller, Händler und Kunden nutzen die Zeit bis zur endgültigen Verabschiedung für andere Baustellen, nämlich die Folgen der dritten Tabaksteuererhöhung.

Mittwoch, 12. Juni 2013 - Tabak
Ulrike Pütthoff
Artikelbild Marken für Margen

Heinrich Wagner rudert zurück. Lobte der Beiratsvorsitzende DTV Tabak Anfang vergangenen Jahres noch die Hersteller und ihren „disziplinierten Umgang mit Steuer- und Preiserhöhungen“, so unterstrich er das beim diesjährigen DTV-Branchentreff, dem Tip-Award, kein weiteres Mal. Statt einer erhofften nachhaltigen Konsolidierung der Erträge des Handels habe dieser Anfang des Jahres den „Egoismus der Konzerne zu spüren bekommen“, tadelte der Chef einer der führenden Fachgroßhändler im Ruhrgebiet. Retailer hätten Margen eingebüßt, weil die dritte Tabaksteuererhöhung nicht auf die Abgabepreise umgelegt wurden. Dabei hätten die Verbraucher 2012 recht verständnisvoll auf Preiserhöhungen reagiert, und von den Herstellern wurden keine nennenswerten Marktanteilsverluste registriert.

Als die Tabaksteuererhöhung in fünf Schritten beschlossene Sache war, habe man sich mehr Planungssicherheit erhofft, sagte der DTV-Mann. Im Handel seien damals die Erwartungen geweckt worden, dass sich die Margen nachhaltig verbessern, wenn die Industrie für die preisgebundenen Waren die Entgelte festlegt bzw. anpasst. Mit Stand heute drifte die Branche aber wieder in die alten Muster ab, das heißt, die Fabrikpreise werden angehoben, der Endverbraucherpreis bleibt der gleiche. Dabei sei die Frage erlaubt, wie es bei den nächsten und damit letzten beiden Steuerschritten ausgeht.

In der Außenwirkung muss es sich aber nicht immer um einen monetären Aufschlag handeln. Auch die Reduzierung der Packungsinhalte hat entsprechende Wirkung. Verbraucherschützer bedienen sich gern des Wortes der verdeckten Preiserhöhung. Nur Sofortrabatte, Bonus für Packungen oder Give-aways für die Kunden empfindet der DTV-Mann als Almosen oder – sanfter ausgedrückt – als willkommene Zuwendung. Sie sollten aber nicht die fehlende Spanne kompensieren, sondern für On-Top-Leistungen an die Händler ausgegeben werden.

Nur wenige, darunter das Unternehmen Heintz van Landewyck sowie einige Randmarken, hoben zum Jahresanfang die Kleinverkaufspreise an. Andere reagierten mit Verzögerung. Das soll den Einzelhändlern richtig weh getan haben. Ein großer Tabakfilialist sprach von knapp 100.000 Euro. Branchenkenner glauben zu wissen, dass die Industrie mit einer Anpassung zögerlich ist, weil sie um ihre Marktanteile fürchtet.
Die Industrie ihrerseits argumentiert bei den oben erwähnten Maßnahmen oft mit Stärkung der Marke. Schließlich fällt ihr Anteil im Verhältnis zu den Private Labels in keiner anderen Warengruppe so positiv zugunsten der Marke aus, wie bei den Tabakwaren. Insofern ist verständlich, dass die Branche gegen die geplante Tabakprodukt-Richtlinie (TPD) auf die Barrikaden geht. Die Proteste rütteln laut Medienberichten jetzt auch die Bundesregierung wacht. Sie plädiert dafür, dass es den EU-Staaten vorbehalten sein soll, Schockbilder und Warnhinweise auf Verpackungen aufzubringen. Denn wissenschaftlich ist nicht belegt, dass die Maßnahmen gesundheitspolitisch überhaupt Wirkung haben könnten.

Das Risiko, mit den Maßnahmen einen wirtschaftlichen Schaden zu produzieren, ist um ein Mehrfaches höher. Nicht nur, weil eine Standard-Verpackung einer Enteignung der Marke gleichkäme. Die Marke selbst wäre – wie die EU fordert – auf einem Viertel der verbleibenden Verpackungsfläche nicht mehr darstellbar. Außerdem würde sich der PoS in ein Gruselkabinett verwandeln, wenn 75 Prozent der Schachteln mit Schockbildern ausgefüllt sind. Ein Tabakwareneinzelhändler warf kürzlich in der Presse sogar die Frage auf, ob bei solch einem Anblick, Jugendliche künftig überhaupt noch seinen Laden betreten dürfen.
 Rainer von Bötticher, Präsident des Bundesverbandes des Tabakwaren-Einzelhandel (BTWE), sieht im Falle, dass die TPD voll umgesetzt wird, 25.000 Arbeitsplätze im deutschen Einzelhandel gefährdet. Außerdem würde ohne eine individuelle Packungs- und Produktgestaltung der Preis zum primären Differenzierungsmerkmal im Wettbewerb, was langfristig eine Preisreduzierung von Tabakwaren zur Folge hätte. Das wäre ein Fass ohne Boden für all jene, die mit Tabakwaren handeln. Denn Fakt ist: Marken bringen Margen, und die sind, wie Wagner eingangs kritisierte, heute bereits im Keller, wenngleich die Menge in der Summe ausgleichende Wirkung hat. Zudem haben die Händler mit steigenden Miet-, Personal- und auch Energiekosten zu kämpfen.

So wünscht auch von Bötticher eine margenorientierte Preispolitik der Industrie. Er sprach kürzlich in der Presse von einem Richtungswechsel, also weg vom Preis, der Verpackungsvielfalt und dem Grammaturchaos: „Wertvernichtender Verdrängungswettbewerb schadet am Ende des Tages allen Marktbeteiligten.“
Doch was tun, wenn die Marke das entscheidendste Kaufkriterium ist? Welchen Speilraum haben die Händler bei preisgebundener Ware? Hersteller ihrerseits suchen beispielsweise die Flucht in andere Bereiche, wie die bereits erwähnten Packungsgrößen. Von OP bis zum XXL-Pack ist heute alles drin. Damit bedienen sie zwar den Trend zu großen Einheiten. Irrtümlicherweise bieten sie dem Verbraucher aber keinen nennenswerten finanziellen Vorteil.

Ebenfalls als Trend kristallisieren sich die zusatzstofffreie Waren heraus. Waren sie in der Startphase eher dem Premium-Segment zuzuordnen, so haben die Hersteller mittlerweile additivfreie Produkte auch im Value for Money-Bereich positioniert, in der Regel unter dem Dach einer bereits etablierten Marke. So kommen auch die preissensiblen Verbraucher in den Genuss. Auf der anderen Seite ein Teufelskreis, denn Raucher, die zur günstigeren Variante wechseln, gehen dem Premiumsegment verloren und steuern damit weniger zum Ertrag bei. Man läuft Gefahr, dass die hohen Steuerbelastungen und Werbebeschränken den Preis immer stärker zu einem entscheidenden Wettbewerbsfaktor machen.
Für den Handel bedeuten die zahlreichen Innovationen, Line Extensions und die Vielfalt der Verpackungsgröße Fluch und Segen zugleich. Fluch, weil am PoS die Platzierungsmöglichkeiten begrenzt sind, und unmöglich alle Neuheiten untergebracht werden können. Segen, weil gerade Tankstellen, Kioske, Tabakwarenhändler usw. mit einem breiten Angebot den Wünschen der Kunden gerecht werden und diese mehr oder weniger an ihre Läden binden können. Ein anschauliches Beispiel dafür sind Traditionsmarken wie Ernte 23, Peter Stuyvesant mit ihrem Duft der großen weiten Welt oder die HB, zu der man greift, bevor man in die Luft gehen muss. Bei den jeweiligen Herstellern stehen diese Randmarken zwar nicht mehr im Fokus, aber sie haben einen treuen Kundenkreis, bei dem sich der Anbieter eine Alleinstellung verschaffen kann. Zudem ist der Absatz dieser Marken sehr gut kalkulierbar.

Allerdings steht die breite Auswahl nicht zwangsläufig in Korelation zur Rentabilität. Lagerfläche, geringere Umschlagsgeschwindigkeit und Kapitalbindung drücken den Gewinn, Ladenhüter kosten Geld. Unter anderem blockieren sie eventuell noch den Platz für Renner-Produkte. Hersteller arbeiten darum gern und eng mit dem Handel zusammen, um ein profitables Tabakwarenangebot für den jeweiligen Standort zu erstellen. Das Stichwort ist unter anderem Category Management, doch da hätten die Hersteller die Finger im Spiel, argumentiert der Handel.

Viel Raum bleibt für ihn jedenfalls nicht, um die Marge in den Griff zu bekommen und auf den Tabakwarenverkauf Einfluss zu nehmen. Shops, allen voran die der Tankstellen, können mit Tabakwaren zwar bis zu 70 Prozent ihres Gesamtumsatzes machen. Aber der Handel vermisst ein gewisses Mitspracherecht. Die Beratung wäre noch ein Betätigungsfeld, wo er punkten kann. Bei der Vielzahl und Auswahl in dieser Warengruppe wäre das sicher ein Weg. Auch wenn Raucher sehr markentreu sind, sie sind deshalb aber nicht weniger aufgeschlossen.

http://www.tabakwelt.de

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