Süße Snacks Turbulente Zeiten

Die Süßwaren sind in den C-Shops unverzichtbare Frequenz-Bringer und Impulsartikel. Regelmäßig erhöhen sie den Durchschnittsbon. Doch das Geschäft mit süßen und salzigen Snacks kommt aus wirtschaftlichen und politischen Gründen nicht zur Ruhe. Jetzt soll es sogar ein Werbeverbot richten.

Samstag, 01. April 2023 - Süßwaren & Salzige Snacks
Hans Jürgen Krone
Artikelbild Turbulente Zeiten
Bildquelle: Koelnmesse

Es ist eine turbulente Zeit, in der die diesjährige Internationale Süßwarenmesse ISM in Köln fällt: Ausnahmsweise im April 2023 und nicht wie seit vielen Jahren gewohnt, Ende Januar, trifft sich die Branche. Neben der Vorstellung der Produkt-Innovationen stehen wohl einige kontroverse und belastende Themen vom 23. bis 25. April 2023 im Mittelpunkt der Messe-Gespräche. Da sind zum einen die Kostensteigerungen und Lieferkettenprobleme, mit denen sich die Süßwarenbranche konfrontiert sieht und aufgrund der sich die Hersteller laut Bundesverband der Deutschen Süßwarenindustrie, BDSI, in einer wirtschaftlich sehr angespannten Situation befinden. Die mehr als 200 Unternehmen der Branche seien 2022 mit einer seit dem Zweiten Weltkrieg noch nie da gewesenen Spirale an Kostensteigerungen und an Lieferkettenproblemen konfrontiert worden.

Eine Frage der Existenz
Für die Hersteller werde die enorme Kostenbelastung immer mehr zu einer Standort- oder gar einer Existenzfrage, so die alarmierende Auskunft. Während das Geschäft in Deutschland im Jahr 2022 leicht rückläufig gewesen sei, wurden nach Angaben des Verbandes insgesamt 2,5 Millionen Tonnen Süßwaren und Knabberartikel exportiert. Das sind immerhin vier Prozent mehr als im Vorjahr. Insbesondere die Hersteller von Bonbons und Zuckerwaren konnten nach Einschätzungen des Verbandes gute Zuwächse verzeichnen. Laut Branchenverband hat sich zudem ihre Produktion um sechs Prozent auf rund 660.000 Tonnen gesteigert. Auch die Hersteller von Schokoladenprodukten und Feinen Backwaren konnten ihre Produktion erhöhen. Demnach wurden im vergangenen Jahr mit 1,2 Millionen Tonnen, rund 1,7 Tonnen mehr an Schokoladenprodukten hergestellt. Dazu kamen rund 760.000 Tonnen Feine Backwaren, ein Zuwachs von 1,9 Prozent. Allerdings sei das Geschäft mit Snackartikeln weniger gut gelaufen. Hier sank die Produktionsmenge nach Schätzungen des BDSI um 0,1 Prozent auf rund 365.000 Tonnen.

Werbung im Fokus
Zweites wichtiges Thema wird wohl das von Bundesernährungsminister Cem Özdemir geplante Verbot für an Kinder gerichtete Werbung für Lebensmittel mit zu viel Zucker, Fett und Salz sein. Gelten soll dieses nicht nur für reine Kindersendungen, sondern auch von sechs bis 23 Uhr in den elektronischen Medien. „Wir müssen dafür sorgen, dass Kinder gesünder aufwachsen können“, hatte der Grünen- Politiker Ende Februar in Berlin mitgeteilt. Als Messlatte, ab wann Produkte „zu viel“ Salz, Fett und Zucker enthalten, sollen Nährwertprofile der Weltgesundheitsorganisation, WHO, dienen, die auf Regulierungen für Kinder zielen. Dabei handelt es sich um Höchstwerte für mehrere Kategorien, die beispielsweise bei Frühstückscerealien wie Müslis nicht mehr als 15 Gramm Zucker pro 100 Gramm vorsehen. Überschreiten Produkte die empfohlenen Profile, dürfen sie demnach nicht mehr für Kinder angepriesen werden. Künftig nicht tabu werden laut Ministerium dann auch Werbung für Milch und normale Obstsäfte sein.

Alle Medien betroffen
Die Werbeverbote sollen, sobald sie in einen gesetzlichen Rahmen eingeflossen sind, dann auf breiter Front greifen: In Presse, Radio und Fernsehen, im Internet samt Streaming, sozialen Netzwerken, für Influencerinnen und Influencer. Dass eine Werbung an Kinder gerichtet ist, lässt sich laut Ministerium etwa an Kindern als Darstellern und Produkten mit Farben und Kindermotiven festmachen. Im Fernsehen sind mit der langen Zeitspanne von sechs bis 23 Uhr auch Familienfilme oder Fußballspiele im Abendprogramm eingeschlossen. Das Verbot soll auch alle Spots für Salziges und Fettiges in der Halbzeit umfassen, auch dann, wenn die Werbung nicht mit Kinderoptik gestaltet ist.

Kommen soll das Verbot außerdem auch für Außenwerbung auf Plakaten in einer „Bannmeile“ von hundert Metern um Schulen, Kitas, Spielplätze und Freizeiteinrichtungen für Kinder. Betroffen ist auch das Sponsoring, das sich etwa bei Veranstaltungen an Kinder richtet. Özdemir betonte, es gehe nicht um ein generelles Reklameverbot. Auch für Chips und Schokolade dürfe weiter geworben werden, nur eben nicht gezielt an Kinder.

Ein Totalverbot droht
Der BDSI hat einen anderen Blick auf die Dinge, und ist überzeugt, dass die Pläne von Bundesminister Özdemir ein Totalverbot von Süßwarenwerbung bedeuten. „Die Vorschläge von Bundesminister Özdemir sind aus unserer Sicht nicht verhältnismäßig und zudem verfassungsrechtlich bedenklich. Es existieren keine wissenschaftlichen Untersuchungen zur Wirksamkeit von Werbeverboten auf die Entwicklung von kindlichem Übergewicht, wie das Ministerium selbst im Rahmen einer parlamentarischen Anfrage einräumte“, sagte Dr. Carsten Bernoth, Hauptgeschäftsführer im Bundesverband der Deutschen Süßwarenindustrie, ebenfalls bereits Ende Februar. Der BDSI halte die geplanten Werbeverbote für nicht zielführend, um die seit vielen Jahren bestehende Übergewichtsrate von 15 Prozent bei Kindern zu verringern.

Ernährung als Eigenverantwortung
Ein solches Vorgehen lässt sich wohl auch nicht durch die Einstellungen der Verbraucher rechtfertigen. Denn laut Internationalem Süßwaren Verband sieht eine sehr große Mehrheit der Verbraucher eine hohe Eigenverantwortung jedes Einzelnen für eine ausgewogene Ernährung. Rund 89 Prozent der Befragten sehen das so. Dies war das Ergebnis einer repräsentativen Verbraucherbefragung im Auftrag des BDSI, die im November vergangenen Jahres durchgeführt wurde. Mit sehr großem Abstand dahinter – fünf Prozent – benannten die Befragten „die Gesellschaft insgesamt“ als verantwortlich. Drei Prozent der Befragten sahen auch die Hersteller von Lebensmitteln in der Pflicht und zwei Prozent sahen in der ausgewogenen Ernährung eine Aufgabe für die Politik beziehungsweise den Staat.