Anuga 2023 Inspirationen aus Köln

Den Horizont erweitern, spannende Innovationen erleben, neue Marktpartner kennenlernen und viele gute Gespräche führen – all das machte die Kölner Foodmesse Anuga möglich. Jetzt gilt es, passgenau die Inspirationen im Convenience-Handel umzusetzen.

Dienstag, 31. Oktober 2023 - Messen
Hans Jürgen Krone
Artikelbild Inspirationen aus Köln
Bildquelle: Koelnmesse

Die Convenience Stores aller Art bekommen derzeit so viel Aufmerksamkeit wie selten zuvor. Das ist eines der Learnings der diesjährigen Foodmesse Anuga in Köln. Die Hersteller haben durchaus wahrgenommen, dass die Shops dabei sind, ihr Angebot zu verändern, sei es in Richtung gesünderer Ernährung oder ausgebautem Nahversorger-Angebot. Und auch beim gastronomischen Sortiment für die mobilen Kunden will die Food-Industrie sich noch stärker engagieren.

Viele Vertreter der Convenience-Branche kamen in diesem Jahr zur Fachmesse Anuga, um zu sehen, was die Industrie an Innovationen für die Shops im Petto hat. Dabei wurde im Rahmen der Tage von Köln sehr deutlich, dass die Convenience-Channels mit ihrer Mischung aus Retail- und Gastro-Angeboten immer stärker in den Fokus der Unternehmen rücken. „Wer ganz neue Produktlinien jenseits des angestammten Sortiments kreiert, der nimmt beim Aufbau dieser Kategorie dann auch ganzheitlich alle Absatzmöglichkeiten der modernen Gesellschaft in den Blick, unter Einschluss der mobilen Kunden“, sagte ein Unternehmensvertreter gegenüber CS.

Über traditionelle Kanäle hinaus
Der Grund dafür, dass die Shops jetzt auch stärker von Unternehmen berücksichtigt werden, die das vorher kaum taten, liegt wohl auch darin, dass die für die neuen anspruchsvollen Sortimentsbereiche zuständigen Abteilungen und Mitarbeiter der Hersteller nicht so auf die traditionellen und oft jahrzehntelang erfolgreich bespielten Absatzwege setzen, wie es im angestammten Geschäft üblich ist. Und die Hersteller setzen zudem darauf – das wurde in einigen Messegesprächen thematisiert – ihre innovativen Food-Produkte auch jenseits der klassischen Einkaufs-Entscheiderinnen und -Endscheider bekannter zu machen. Dabei geht es um die mobilen Kunden, die sicherlich immer noch eine mehrheitlich männliche Zielgruppe sind. Natürlich waren zur Anuga für die Shops besonders in Sortimentsbereichen wie Backwaren und Snacks interessante auch neue Produkte für die Regale dabei, beispielsweise von Kuchenmeister, Campofrio oder Genuport. Die aus unserer Sicht spannendsten Innovationen wird CS nach ausführlicher Prüfung in der kommenden Ausgabe wieder mit einem Show Star auszeichnen.

Gastro-Angebote im Mittelpunkt
Zum Treffpunkt der Branche wurde auch diesmal wieder der von Peter Hack, Chef der Hack AG, initiierte „Genussgarten“. Hier stellten im Rahmen der so genannten „Multi Brand Collection“ zahlreiche Unternehmen ihre auch für Tankstellen gedachten „Clip-in-Konzepte“ vor. Unter ihnen beispielsweise der Pizza-Aufsteiger Gustavo Gusto, der jetzt die Gastronomie im Blick hat, das Unternehmen Immergrün mit seinem gesunden Fast-Food oder auch Green Rosin des Spitzenkochs Frank Rosin, der nach seinem Auftritt bei Handel und Wandel in Tankstellen offenbar mit vielen Mineralölgesellschaften darüber im Gespräch ist, wie seine besonderen Angebote in das Geschäft der Tankstellen-Bistros sinnvoll integriert werden können.

Für viel Aufmerksamkeit sorgte auch der Einstieg der einstigen Gastro-Top-Marke Wienerwald unter „Wienerwald Roadrunner“. Das Unternehmen schickt sich mit neuen Restaurants in Deutschland an, wieder ein bedeutender Player zu werden. Kürzlich wurde im Harz-Ferienort Torfhaus ein spektakuläres neues Restaurant mit Aussichtsturm eröffnet. Aber es soll auch kleiner gehen: „Gesunde Gastronomie und Tankstellen? Das passt in Deutschland vielfach noch nicht zusammen. Denn viele Konsumenten schätzen an Tankstellen zwar die Geschwindigkeit, aber nicht immer die kulinarische Qualität. Jetzt gilt es umzudenken“, sagt Thies Borch-Madsen von Wienerwald. Das Unternehmen bringt mit dem Wienerwald Roadrunner ein To-go-Konzept an den Start, das Tankstellen einen Qualitätssprung erlauben soll und sie zu einer guten gastronomischen Option aufwerte. Laut Unternehmen ermöglicht Wienerwald Roadrunner, dass sich Kunden aus der bekannten Produktwelt der Marke ein individuelles Angebot zusammenstellen und unterwegs essen können. Die Optionen reichen von klassisch-deftig über frisch und leicht bis hin zu vegan und vegetarisch. „Die operative Umsetzung an einer Tankstelle ist denkbar einfach. Das Konzept kommt mit den üblichen Anschlüssen eines Back-Shops aus und Mitarbeiter sind schnell für das Konzept geschult – Qualität und Ertrag vom ersten Tag an“, verspricht Borch-Madsen. Und in eine ähnliche Richtung denken auch Anbieter wie Jannys Eis, Lisette Smart-Bakery, Donut Worry Be Happy und Sandwichclub, die ebenfalls Tankstellen ansteuern.

Trend bestätigt sich
Was unsere Redaktion auf der Grundlage von Expertenaussagen und in vielen Gesprächen mit Praktikern in seiner ersten Green-Edition in der vergangenen CS-Ausgabe zum Thema gemacht hat, bestätigte sich insgesamt auf sehr eindrucksvolle Art und Weise im Rahmen der Anuga: Produkte mit Anspruch in Sachen Gesundheit, Ernährung und Nachhaltigkeit stehen bei Industrie und Lebensmittelhandel derzeit im Zentrum der Aufmerksamkeit. Was auf den vorherigen Messen bisher vor allem Spekulationen und Voraussagen waren, manifestierte sich inzwischen von Seiten der Industrie eindeutig in so gut wie allen vorgestellten Produkt-Innovationen. Schlagwörter wie bio, glutenfrei, gentechnikfrei, Tierwohl, CO2-Bilanz, vegetarisch oder vegan und vieles mehr auf den Verpackungen sind eher die Regel als die Ausnahme.

Neuer Anspruch bei Fleisch- und Mopro
Das Angebot der Messe-Aussteller vermittelte zumindest vordergründig den Eindruck, dass derzeit weltweit kaum mehr ein neues Produkt eingeführt wird, das ohne Anspruch daherkommt. In Produktbereichen wie Fleisch, Wurst, Geflügel oder Molkereiprodukte, die nach wie vor stark im Markt vertreten sind, spielen inzwischen mindestens die Haltung und Fütterung der Tiere eine Rolle, die mit zahllosen Zertifikaten belegt werden. Darüber hinaus geht es natürlich auch darum, aus welcher Region die tierischen Produkte stammen und welche Umweltauswirkungen bei ihrer Verarbeitung in den unterschiedlichen Ländern und natürlich auch beim Transport entstehen. Bezogen auf den deutschen Markt kann damit natürlich so mancher Hersteller punkten, der zunehmend auf heimische Rassen und „Produktion“ setzt. Andere sind zumindest darauf bedacht, wenn man schon auf weit entfernte Länder, beispielsweise in Südamerika als Lieferanten angewiesen ist, dass nicht durch die Weiterverarbeitung des Fleisches und der Molkereiprodukte zu viele weitere Nachhaltigkeits-Negativpunkte beim Transport dazukommen. Mit Macht von diesem Trend erfasst wurde inzwischen auch der Markt von Fisch und Meeresfrüchten, was angesichts der Überfischung der Meere und anderer Missstände nicht verwunderlich und wohl auch notwendig ist. Und natürlich bekommen die Hersteller dieser tierischen Produkte, auch wenn sie ihr Traditionsgeschäft noch längst nicht abschreiben, tagtäglich ständig mit, dass ihr Business unter Druck steht und merklich zurückgeht. Der Grund dafür manifestierte sich im Rahmen der Anuga massiv: Das Top Thema ist „Plant Based“. Davon profitieren natürlich die Hersteller von Pflanzenprodukten aller Art in ihrer reinen Form, aber vor allem stürzen sich weltweit Produzenten, häufig neben ihren traditionellen Sortimenten, auf proteinbasierte Ersatzprodukte. Hunderte, wenn nicht tausende Innovationen, von Fleisch, über Fisch bis hin zu Molkereiprodukten waren diesmal in Köln das absolut beherrschende Thema und wurden so auch zum Mittelpunkt vieler Diskussionen.

Klassische Anbieter denken um
Was das Unternehmen Rügenwalder Mühle auf dem deutschen Markt in den vergangenen Jahren erfolgreich vorexerziert hat, nämlich, dass sich auch Anbieter von Wurstwaren oder anderen klassischen Produkten, auf der Grundlage ihrer Food- und Geschmack-Erfahrung glaubwürdig als Hersteller solcher Produkte etablieren können, wollen jetzt auch sehr viele andere etablierte Firmen traditioneller Produkte schaffen. Und da heutzutage kaum ein Unternehmen darauf verzichten will, solche Umsatzchancen zu haben, die in diesem Geschäft zumindest vermutet werden, springen immer mehr auf diesen Zug auf und tun das entweder aus eigener Kraft, oder indem sie das entsprechende Knowhow mit Hilfe oft junger Marktpartner integrieren.

Ein Aspekt, der in Köln dabei aber auch immer wieder diskutiert wurde, ist die Frage, wie lange sich die Verbraucher, die sich von tierischen Produkte wie Fleisch, Fisch und Käse etc., endgültig verabschieden wollen, überhaupt in ihrer Ernährung mit dem Ersatz von Geschmäckern beschäftigen, den sie eigentlich gar nicht mehr wollen. Hoffnungsträger ist bei den meisten Akteuren dabei aktuell vor allem der Flexitarismus, der die gewohnten Geschmackserwartungen im Spiel hält und die Hoffnung, dass die Übergangszeit hin zu einer wirklich mehrheitlich pflanzendominierten Ernährung in allen Bevölkerungsgruppen noch Jahrzehnte dauern könnte.

Der eine oder andere deutsche Hersteller berichtete im Gespräch mit CS aus aktuellen Erfahrungen, dass es selbst bei kleinen und vielleicht zugegebenermaßen etwas halbherzigen ersten Produktversuchen „für die Galerie“ zu unerwartet großer Resonanz im Handel kam, sodass er sich kurzfristig um den Aufbau relevanter Produktkapazitäten kümmern musste. Und natürlich sind solche Aktivitäten gerade in großen und etablierten Unternehmen auch intern oft nicht unumstritten, sodass diejenigen, die diese verantworten, keinen Umsatz am Wegesrand liegen lassen können, der im Kernbereich der Unternehmen vielleicht eher zu vernachlässigen wäre, berichtete so mancher verantwortliche Produkt- Manager oder Vertriebler gegenüber CS.

Großhandel muss mitziehen
Entscheidend dafür, ob und wie sich ein solches Sortiment in Convenience-Shops wirklich etablieren kann, wird natürlich auch sein, ob der Convenience-Großhandel solche Produkte künftig für den Markt auch verfügbar macht. Dass es bei der Bereitschaft, solche Produkte zu listen, hier und da noch Luft nach oben gäbe, wurde ebenfalls relativ häufig angemerkt. Der Grund dafür, dass dies noch nicht so richtig rund läuft, ist allerdings auch nicht so ganz von der Hand zu weisen und liegt vor allem an der bei den Handelspraktikern im Convenience-Markt wahrzunehmenden Skepsis– trotz aller Euphorie in Sachen Plant Based etc. – aber nicht nur dort . Für sie ist es, jenseits aller Trend-Erwartungen schlicht wichtig, welchen Verkaufserfolg gesündere, frischere und alle anderen Arten von Produkten mit Anspruch im Tagesgeschäft letztendlich wirklich haben. Denn ob der Trend wirklich trägt und mindestens mittelfristig zu den entsprechenden Umsätzen am Regal führt, kann trotz einiger Anfangserfolge derzeit noch niemand wirklich sagen. Und das ist in den C-Stores aller Art mit ihrer meist kleinen Fläche und wenig Regalplatz weiterhin keine einfache Ausgangslage für Transformationen.