Interview Ein mutiger Schritt

Wenn ein Ladenbauer als Tankstellenpächter auftritt, klingt das nach einem spannenden Experiment. Wir sprachen mit Andreas Strömer, Geschäftsführer von Stracke, über erste Erfahrungen.

Donnerstag, 06. September 2018 - Tankstelle
Hans-Jürgen Krone
Artikelbild Ein mutiger Schritt
Bildquelle: Stracke

Herr Strömer, das ganze Projekt begann wohl mit Ihrem eigenen Burger-Konzept. Wie kam es dazu?
Andreas Strömer: Wir sehen uns mit unserem Projektleiterteam immer mal wieder spannende Konzepte im europäischen Ausland an. Dabei fiel uns auf, dass jedes coole Produkt in diesem Bereich mit einer ziemlich fetzigen Marke einhergeht. Vor acht Jahren haben wir dann eine Marke für Burger entwickelt, die wir leider aus markenrechtlichen Gründen nicht nutzen durften. In einer langen Nacht an einer Hotelbar fiel dann der Entschluss, den Fleischgenuss in vielfältiger Form in den Mittelpunkt zu stellen. Völlig untrendig, schließlich stürzen sich aktuell alle auf vegan. Das Konzept nannten wir Fleischwolf mit dem Claim unvegan.

Wie ging es weiter?
Strömer: Ich muss vorweg schicken, dass von Anfang an geplant war, das Projekt erst einmal selber zu betreiben, um zu testen, ob unsere Idee überhaupt funktioniert. Dann haben wir mit verschiedenen Leuten überlegt, was man machen kann. Schließlich haben wir uns mit unserem Schulfreund Marcus Knak, der ein Catering-Unternehmen hat, zusammengetan. Er entwickelte die Food-Produkte, samt Rezepturen, während wir uns um das Marketing kümmerten.

Wann kam die Tankstelle ins Spiel?
Strömer: Da wir der Tankstellengemeinschaft sehr verbunden sind, lag der Gedanke nahe, Fleischwolf mal an einer Station auszuprobieren. Zwei standen zur Auswahl, aber wir haben uns ganz bewusst für die schwächere Tankstelle hier in Dessau vor der Haustür entschieden, eine Aral mit niedrigen Kraftstoffabsätzen und häufigem Pächterwechsel. Wir wollen einfach herausfinden, ob so eine Station mit einer vernünftigen gastronomischen Eichrichtung trotzdem überleben kann. Der Aral-Partner Framework kaufte sie und verpachtete sie an uns. Framework betreibt alle anderen 24 Tankstellen selber, hat viel Erfahrung und unterstützte uns sehr. Eine gut laufende Station wäre für uns keine Challenge gewesen.

Wie wird das Ganze geführt?
Strömer: Marcus Knak ist mit der operativen Leitung betraut, er hat das Fachwissen rund um Food. Dennoch teilen wir uns die Verantwortung. Ich kümmere mich um das Thema Personal und Marketing. Die betriebswirtschaftlichen und administrativen Aufgaben hat meine Schwägerin Andrea übernommen. Ich gestehe, dass wir die Herausforderung auf diesem Gebiet unterschätzt haben. Allein der Vertrag mit Aral hat mal eben 60 Seiten, in denen viele Pflichten stehen, denen wir natürlich auch nachkommen wollen.

Wo oder wie haben Sie angefangen?
Strömer: Wir haben die Station im April übernommen und sie dann noch zwei Wochen mit dem alten Shop, aber einigen neuen Elementen, wie dem Backshop, betrieben. Während des Umbaus haben wir dann einen Foodtruck vor die Tür gestellt. Um den Umbau haben sich übrigens mein Vater und fleißige Helfern gekümmert, so dass wir Anfang Juni im Shop mit unserem Fleischwolf starten konnten.

Wie ist die Platzverteilung?
Strömer: Der Shop hat innen 151 qm. Davon belegt Fleischwolf vier Fünftel, mit 46 Sitzplätzen innen und direktem Zugang zur Terrasse mit 20 Plätzen. Es gibt auch einen direkten Zugang von der Waschanlage aus. Hier haben wir einen Flur in den Nebenräumen geschaffen, das Shop und WC´s auch erreichbar sind, ohne um das Gebäude laufen zu müssen.


Haben Sie alles so umsetzen können, wie von Anfang an geplant?
Strömer: Nein, einige Ideen waren nicht zu realisieren, deshalb gab es auch kleinere Umbauten. Für einen klassischen Tankstellenmann ist das schon befremdlich, was wir da veranstalten. Das gilt eben auch für das Personal. Wir haben erst nach Tankstellenleuten gesucht, aber die haben unser Konzept einfach nicht verstanden. Die Mitarbeiter, die jetzt bei uns sind, haben noch nie an einer Tankstelle gearbeitet, aber sie haben das Thema Dienstleistung verinnerlicht. Das ist für mich die Hauptsache, das andere ist zu erlernen. Die Kasse zum Beispiel begreift man in einigen Schichten.

Wie kommt das Angebot bei den Kunden an?
Strömer: Der Kraftstoffabsatz dieser Station war von Anfang an gering. Die Vielzahl der Kunden kommt nicht zum Tanken. Dafür liegt der tägliche Foodumsatz bei bis zu 1.000 Euro. Von Vorteil für den schicken, modernen Shop sind die vielen Parkplätze auf dem 4.000 qm großen Grundstück. Richtig schön wird es noch, wenn Aral draußen die alte Attika und den Preismast ausgetauscht hat.

Wie waren die Reaktionen der Kunden?
Strömer: Wir hatten schon vorher auf elf verschiedenen Social Media-Kanälen getrommelt mit sehr positiver Resonanz, so dass die Erwartungshaltung der potenziellen Kunden sehr groß war. Unser „männlichstes“ Produkt ist der sogenannte Double-Trouble, ein Burger mit insgesamt über 600 g. Davon haben wir in den ersten zwei Wochen 200 Stück verkauft. Der Einstiegs-Burger kostet

7 Euro, der Double-Trouble 12 Euro. Dazu kommen Beilagen. Viel mehr wird in Dessau nicht gehen, zumal zeitgleich ein neuer Burger King eröffnete, der Fleischwolf aber nicht geschadet hat. Wir setzen auf Frische, auch wenn das nicht alle schätzen. Aber man kann sagen: Alles Fleisch, das man bei uns verzehrt, hat eine Woche zuvor noch Puls gehabt.

Wie sind die praktischen Abläufe im Fleischwolf?
Strömer: Wir haben uns am Catering-Unternehmen Rockandroll Food von Marcus Knak beteiligt. Die Küche ist im Nachbarort Oranienbaum. Dort werden die Steaks und Patties portioniert gebeeft, eingelegt, gewürzt usw., die Gehacktesstippe gekocht sowie das Pulled Pork gegart und zur Tankstelle gebracht. Auch die vorgegarten Kartoffeln für den Kartoffelstampf. Die gecoateten Pommes frittieren die Mitarbeiter in einer in sich geschlossenen Fritteuse, damit es keine Emissionen gibt und sich kein Mitarbeiter verletzen kann. Die Burgerpatties sind vorportioniert und werden lediglich auf dem Kontaktgrill vor den Augen der Gäste gebraten, während parallel das Bun auf einem Durchlauftoaster gegrillt wird.

Welche Kunden nutzen Ihr Angebot?
Strömer: Wir hatten mit einem sehr jungen Publikum gerechnet. Aber zu unserer Überraschung kommt auch die Oma mit ihrem Enkel, dieser isst einen Burger und die Oma Kartoffelstampf mit Gehacktes-Stippe. Es sind tatsächlich alle Altersgruppen und alle Schichten der Gesellschaft vertreten.

Und wie sind insgesamt die ersten wirtschaftlichen Ergebnisse?
Strömer: Im dritten Monat, also im August, hat sich die Station selber getragen, ohne Umbaukosten, das hatte ich nicht erwartet. Aber dennoch muss da noch etwas gehen.

Wie ist Ihr persönliches Engagement?
Strömer: Wenn ich nicht auf Reisen bin, bin ich natürlich auch täglich vor Ort. Es gibt ein Büro mit drei Arbeitsplätzen. Manchmal arbeite ich mit Laptop im Restaurant und beobachte unsere Gäste und deren Reaktionen.

Welche Erkenntnisse ziehen Sie aus dem Engagement? Verstehen Sie Ihre Kunden jetzt noch besser?
Strömer: Auf jeden Fall machen wir wertvolle Erfahrungen. Früher habe ich oft Aktionsinseln u.a. auch für regionale Produkte vorgeschlagen. Jetzt sehe ich, wie aufwändig die ganze Abwicklung von der Bestellung bis hin zu den Preisschildern ist. Natürlich können wir an unserer Tankstelle auch Dinge testen. Aber wir haben viele Neuerungen einfließen lassen, auf die wir uns erst einmal konzentrieren müssen. Von den Ergebnissen einer mäßigen Station im ländlichen Bereich kann man natürlich keine Rückschlüsse auf Tankstellen insgesamt ziehen. Unser Ziel als Ladenbauer ist natürlich immer auch, für unsere Kunden noch glaubwürdiger in Sachen Wirtschaftlichkeit von Shops zu werden, und dem kommen wir hiermit näher.

Bilder zum Artikel

Bild öffnen Gegen den Strom: Das Konzept Fleischwolf ist nicht nur unvegan, sondern ungewöhnlich
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Bild öffnen 46 Sitzplätze stehen im Burger-Bistro Fleischwolf zur Verfügung
Bild öffnen Frittiert wird in einer geschlossenen Fritteuse, um Emissionen zu verhindern.
Bild öffnen Der gesamte Tankstellen-Shop hat gut 150 qm Verkaufsfläche.