Bier Bier bleibt im Visier

Der Bier-Markt hatte auch im fast vergangenen Jahr 2019 eine hohe Bedeutung für die C-Stores. Im kommenden Jahr sollte er genau beobachtet werden. Convenience Shop hat sich bei den Marktforschern umgehört.

Freitag, 27. März 2020 - Getränke
Thomas Klaus

Zugegeben: Früher konnte auch in den Convenience-Shops mit Bier leichter Geld verdient werden. Und auch die Zahlen waren schon einmal besser. Nichtsdestotrotz: Angesichts eines Pro-Kopf-Verbrauches von knapp 102 Litern pro Jahr bleibt der Bier-Markt für die Convenience-Verantwortlichen weiter bedeutsam.
Laut Nielsen-Marktforschung wurden im ersten Halbjahr 2019 im deutschen Handel pro Durchschnitts-Kopf 48,75 Euro für Bier und Biermixgetränke ausgegeben und ein Gesamtumsatz von 3,9 Milliarden Euro erreicht. Das sind keine Zahlen, die man links liegen lassen sollte.

Breit aufgestellter Markt in Deutschland
Der Markt verlangt jedoch einen genauen Blick auf künftige Entwicklungen. Hochinteressant ist zum Beispiel die Frage nach der Zukunft der Craftbiere beziehungsweise des Craft Beers – jener oft in sehr kleinen und auch in weniger kleinen Brauereien produzierten regionalen Spezialitätenbiere mit besonderem Charakter.
Wohl zu Recht wurde in deutschen Brauerei-Kreisen bisher kritisiert, dass eine solche Geschmacks-Bewegung zwar in den USA überfällig war, aber sich der Biermarkt in der Bundesrepublik im Gegensatz zum Land der unbegrenzten Möglichkeiten breit aufgestellt zeigt.

Annähernd 1.600 Braustätten – und das mit steigender Tendenz – mit mehr als 6.000 Biermarken lassen seit eh und je hier zu Lande auch viel Raum für Regionales, für Spezialitätenbiere. Ungeachtet dessen hat die Craft-Beer-Welle, die über den Großen Teich nach Europa und Deutschland geschwappt ist, den hiesigen Biermarkt kräftig durchgeschüttelt.
Das räumt zum Beispiel auch der Verband Private Brauereien ein. Sein Hauptgeschäftsführer Stefan Stang sagt dazu : „Es gibt mehr und mehr Verbraucher, die Bier mit mehr Geschmack wollen und Braumeister, die sich verstärkt auf das Brauen von Bierspezialitäten konzentrieren. Dies geschieht durch Rückbesinnung auf alte, zum Teil in lange Vergessenheit geratene Biersorten wie beispielsweise ein Märzen, Weizenbock oder unfiltrierte Biere. Oder auf der anderen Seite durch das Brauen von heute in Deutschland bisher eher ungewöhnlichen Bierstilen wie Ale, sogenanntes India Pale Ale, ein helles, stärker eingebrautes Pale Ale, oder fassgereifte Biere.“

Craft Beer auf dem absteigenden Ast?
Manche Convenience-Store-Betreiber mit einem größeren Platzangebot räumen Ecken für Craft Beer ein und bewerben das offensiv. Doch wie tragfähig ist diese Entwicklung? Zumindest während der Fachmesse BrauBreviale im vergangenen November in Nürnberg überwog die Einschätzung, dass kein Ende in Sicht sei. Zum Beispiel brachte Bob Pease, Präsident und CEO der Brewers Association, aus den USA die Erkenntnis mit, dass es „keine Anzeichen für eine Abschwächung des Trends“ gibt: Das gesamte US-Biervolumen sank 2018 um ein Prozent, während die Craft-Beer-Brauereien vier Prozent Plus erzielten.

Gerade deswegen sind die Convenience-Shop-Verantwortlichen wohl gut beraten, wenn sie dieses Segment genau im Auge behalten. Allerdings weisen die ausgewiesenen Branchenkenner Barbara Rademacher und Dirk Omlor – in ihrem Nachrichtenportal „Getränke News“ auf die sinkenden Craftbier-Absätze im deutschen Handel in diesem Jahr hin. Außerdem habe es gerade in den vergangenen zwei Jahren eine deutliche Ausdünnung des Angebotes gegeben, stellen sie fest. Rademacher und Omlor wissen: „Viele Lebensmitteleinzelhändler beschränken sich mittlerweile auf Craftbiere, die eine nennenswerte Geschwindigkeit beim Abverkauf haben und füllen ihre Regale mit mengentauglichen Bierspezialitäten auf.“ Die beiden Experten schließen nicht aus, dass sich diese Entwicklung auf längere Sicht möglicherweise negativ auf das Image, den Absatz und den Umsatz von Craftbieren allgemein auswirken könnte.

„Spritfreie“ Biermixe immer gefragter
Glasklare Aussagen lassen sich hingegen zu alkoholfreien Bieren treffen. Die boomen und boomen nämlich, und das weltweit. Die Marktforscher von Plato Logic Limited vermelden weltweit bei alkoholfreien Bieren und Leichtbieren mit einem Alkoholgehalt ab zwei und bis rund 3,2 Prozent einen Konsum von 43,96 Millionen Hektolitern. 2016 sind es erst 40 Millionen Hektoliter gewesen. Mit 27,22 Millionen Hektolitern führt Europa das Ranking an.

In Deutschland sind rund 500 verschiedene alkoholfreie Marken auf dem Markt. In diesem Segment wächst die Nachfrage ebenfalls kontinuierlich. Nach Angaben der Marktforscher von der Information Resources GmbH (IRI) hatten alkoholfreie Biere 2018 hier zu Lande bereits einen Marktanteil von 6,8 Prozent und immerhin Leichtbiere von 0,7 Prozent erobert.
Im ersten Halbjahr 2019 betrug das Wachstum bei den alkoholfreien Bieren drei Prozent auf rund 196 Millionen Liter, rechnete das Marktforschungsinstitut Nielsen aus. Dort wird darauf verwiesen, dass die entsprechende Absatzmenge im ersten Halbjahr dieses Jahres außerhalb der Gastronomie schon fast so groß war wie die Menge von alkoholhaltigem Weizenbier.
Ebenfalls populär sind alkoholfreie Biermix-Getränke geworden. Laut den Beobachtungen von IRI gingen im vergangenen Jahr bereits 16,9 Prozent der Biermixe in einer „spritfreien“ Variante an den Verbraucher. Übrigens verdienen Biermixegetränke – ob nun alkoholfrei oder nicht – die volle Aufmerksamkeit der Convenience-Shop-Entscheider. Die Zahlen sprechen an dieser Stelle für sich. Mehr als die Hälfte der Deutschen nimmt alkoholhaltige Mixgetränke zu sich. Und mit 73 Prozent sind darunter die Biermischgetränke am beliebtesten. Die Gesamtmenge aller Biermischgetränke in der Bundesrepublik liegt derzeit rund bei 4,5 Millionen Hektolitern; das entspricht einem Sortenwachstum von 17 Prozent.

Schädliche Preis-Abwärtsspirale?
Ein wahrer Wachstumstreiber ist das Radler als Kombination aus Bier und Limonade. Den Nielsen-Forschern zufolge wurden in der ersten Jahreshälfte 119 Millionen Liter Radler und somit stattliche 9,2 Prozent mehr als im Vorjahreszeitraum getrunken. Jedes dritte Radler, das im Handel erworben wird, zählt inzwischen zu den naturtrüben Varianten. Naturtrübe Biere greifen die Strömungen „Regionalität“ und „Natürlichkeit“ auf; sie suggerieren dem Verbraucher Natürlichkeit. Bestes Beispiel dafür ist Gösser Natur Radler, aus der Herstellung der österreichischen Brau Union, das auch in den deutschen Convenience-Stores geradezu einen Senkrechtstart hingelegt hat. Die Konsumenten verweisen darauf, dass sie die Innovation sowohl als Naturprodukt als auch im Geschmack fruchtig und erfrischend wahrnehmen.

Konsumenten lieben solche und andere Abwechslung, obwohl viele von ihnen nach dem ersten Ausprobieren oft auch wieder zum Gewohnten zurück kehren. Das macht den Brauereien die Arbeit schwerer. Zugleich haben die Manager aus einem anderen Grund Sorgenfalten auf der Stirn. Denn in einem ohnehin eher schrumpfenden, schwieriger gewordenem Markt tobt ein zum Teil sehr erbitterter Preiskampf.

Werthaltigkeit ist wichtig
Michael Huber, Generalbevollmächtigter der Brauerei C. & A. Veltins, steht längst nicht allein auf weiter Flur, wenn er klagt: „Schon jetzt ist zu beobachten, dass einzelne Biermarken das Premium-Segment verlassen, um zu geringeren Abgabepreisen schnelle Mengeneffekte beizubringen.“
Doch Huber nimmt eine Gegenposition ein: „In Zukunft wird bei der Gestaltung von Marken und des Produktportfolios im deutschen Biermarkt vornehmlich die Werthaltigkeit wichtig sein. Ausschließlich auskömmliche Renditen werden künftig der Garant dafür sein, dass ein Unternehmen die Weichen für eine gedeihliche Zukunft stellen kann – und das frühzeitig und nachhaltig.“ Huber und viele seiner Manager-Kollegen sind überzeugt: Wenn Bier aus der preislichen Abwärtsspirale geholt werden kann und wieder für einen angemessenen Preis verkauft wird, haben alle Beteiligten, sowohl Handel als auch Hersteller, etwas davon, die mit diesem besonderen Getränk Geld verdienen wollen – die Convenience-Branche selbstverständlich eingeschlossen.