Bäko „Etwas war für jeden dabei“

Die Bäko hat vor 25 Jahren die Weichen dafür gestellt, die Handwerksbäcker zukunftsfähig zu machen. An forderster Front stand Holger Knieling, den wir bereits 1995 in Convenience Shop zu diesem Thema interviewten.

Montag, 22. Juni 2020 - Brot & Backwaren
Hans Jürgen Krone
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36 Jahre lang war Holger Knieling in der Bäko aktiv. Von der Bäko-Bundeszentrale in Bad Honnef kam er 2002 als Geschäftsführer der Bäko-Zentrale Süddeutschland nach Ladenburg und wurde 2005 zum geschäftsführenden Vorstand bestellt. Seit der Verschmelzung der beiden Landeszentralen zur Bäko-Zentrale im Jahr 2018 war er geschäftsführendes Vorstandsmitglied. Im Februar 2019 wurde er in den Ruhestand verabschiedet. Knieling hat damals mit die Weichen dafür gestellt, die Bäcker-Branche in eine neue Zeit zu führen. Zum Jubiläum von Convenience Shop war er bereit, noch einmal Stellung zur Entwicklung in diesem Markt zu nehmen.

Als wir im Jahr 1995 ein Interview mit Ihnen führten, war die Bäckerbranche im Aufbruch. Wie erinnern Sie sich persönlich noch an diese Zeit?
Holger Knieling: Es wurde vieles ausprobiert, Gastro-Konzepte entstanden, Convenience- Elemente wurden aus der bisherigen Handelswarenwelt entwickelt und besonders erfreulich: das Kundeninteresse immer stärker in den Fokus gerückt.

Trotz des Ruhestands sehen Sie Bäckereien sicher auch heute noch mit anderen Augen. Wo steht die Branche heute?
Ich sehe eine Menge beeindruckender handwerklicher Backbetriebe, die klasse am Markt positioniert sind und Lust machen auf den Gang zum Bäcker und Konditor. Und das eben nicht nur wegen bestem Gebäck, sondern auch aus Kundeninteresse, das eben mit Convenience zu tun hat.

Ich kann mich an Veranstaltungen der Bäko in den 90ern erinnern, bei denen der Zusammenhang von Convenience-Retail und Bäckereien streitig diskutiert wurde. Da musste, wenn ich mich richtig erinnere, einiger Widerstand überwunden werden?
Die damaligen Handelswarensortimente und -Präsentationen würden künftig nicht mehr dem Konsumenteninteresse entsprechen, soviel war klar. Dass Neues auf Widerstand stößt, hat gute Tradition. Nur, wenn nichts passiert, passiert auch nichts. Da sind wir lieber den Weg der kritischen Diskussion gegangen und gaben Anstöße, aus denen wir dann auch selber wieder gelernt haben. Es gab und gibt das eine ultimative Konzept nicht.

Der Turnaround kam in meiner Erinnerung erst, als klar wurde, was Sie ja auch im Interview damals betonten, dass es nicht darum gehe, den Bäckern einfach eine „Convenience-Mütze“ aufzusetzen, sondern ihre Frische-Kompetenz in den Mittelpunkt zu stellen?
Und so fanden verschiedenste Elemente ihre Wege in die Läden und gaben Ideen Raum. Das ist doch ein tolles Ergebnis. Es war nicht alles für alle, aber etwas war für jeden dabei. Und das Beste für jeden Einzelnen hat sich bewährt. Am Ende hat der Kunde entschieden und wer sich bewegt hat, hatte dann auch Erfolg.

Ein wichtiger Ansatz für die Modernisierung war sicherlich die Warenpräsentation, die deutlich verbessert werden musste. Konnte die Bäko aus Ihrer Sicht dafür entscheidende Orientierung geben?
Die Realität der vergangenen Jahre beweist dies. Heute findet sich nahezu in jedem handwerklichen Fachgeschäft beispielsweise ein Glastürkühlschrank mit gekühlten Getränken, je nach Standort auch eine professionelle Snacktheke, und so manches mit Nahversorgungsfunktion.

Statt Retail-Sortimente in Sachen Convenience aufzubauen, haben die Bäckereien vor allem ihre Snack-Kompetenz erweitert. Ist das aus Ihrer Sicht der richtige Weg in die Zukunft?
Es war vor allem der richtige Weg in die Gegenwart. Und dieser Bereich hat sich sicher auch durch die Beratungsleistung der Bäko im Snackbereich so toll entwickelt. Die erreichten Marktanteile sind viel größer als erwartet, auch wenn man sich dadurch bei den Gastronomen nicht sonderlich beliebt gemacht hat. Die immer besseren Technologien forcierten das alles. Betrachten wir nur mal was im Bereich Kaffeezubereitung alles passiert ist. Convenience für alle, ohne Ende. Eine Bäckerei ohne Kaffeeausschank muss sicher kritisch über ihre Zukunft nachdenken – sehr schnell. Und Frühstück in der Bäckerei bleibt ein wichtiger Baustein auch für die Zukunft.

Gerade in ländlichen Gegenden stecken doch immer noch, vielleicht sogar immer mehr, Chancen für Bäcker in zusätzlichen Nahversorger-Konzepten mit Convenience-Charakter. Dafür gibt es ja einige spannende Beispiele. Ist aus heutiger Sicht dort genug „Kaufmannsdenke“vorhanden, die Sie schon damals forderten?
In vielen Betrieben übernimmt zunehmend die nächste Generation das Geschäft und die ist oft toll ausgebildet. Ich wünschte mir vor allem immer mehr Orientierung am Verbraucher, mit den richtigen Qualitäten, Sortimenten und Dienstleistungen. Da, wo die Läden voll sind, bewährt sich dies. Also letztlich braucht es ein erfolgreiches Marketing, auf der Basis guter Informationen, aber das ist nichts Neues. Da gilt immer noch, was uns Michael Herz 1989 auf dem ersten Bäko-Workshop referierte: „Nur wer die richtigen Informationen hat, startet auch die richtigen Aktionen. Nur wer die richtigen Koordinaten hat, kommt auch ans Ziel.“

Die Bäko hat damals ihr Eigenmarken-Verkaufs-Sortiment optimiert und später das Programm ausgeweitet. Ist das aus Ihrer Sicht der einzig richtige Weg, oder gilt es nicht auch, in diesem Geschäft die Kraft bekannter Markenprodukte im Verkauf kreativ zu nutzen?
Die Eigenmarke braucht immer eine Herstellermarke neben sich. Daher hat und wird die Bäko auch stets beides anbieten. Der Standort entscheidet letztlich darüber, was richtig ist. Aber der Weg, Alternativen aufzuzeigen, war sicher richtig und die Umsätze haben dies ja auch bestätigt.

Steckt aus Ihrer Sicht eventuell in der Corona-Krise für die regionalen Bäcker die Chance als vertrauter Anbieter vor Ort wieder mehr wahrgenommen und vielleicht auch noch stärker wertgeschätzt zu werden?
Da fehlen mir aus meiner heutigen Vorruhestandsbrille die Marktdaten. Ich fürchte allerdings, dass die Schäden größer sind als die Chancen. Sicher ist zunächst ein Vorteil, dass die Backbetriebe die ganze Zeit über öffnen durften und den Kundenkontakt nicht verloren. Aber wie ich höre, sind die wirtschaftlichen Einbußen bei vielen dramatisch, denn es fehlen ja auch wesentliche Ertragsbausteine: Kaffeegenuss und Frühstück vor Ort, die gemütliche Mittags- und Kaffeepause und der Plausch mit anderen. Man kann also nur hoffen, dass es bald wieder anders wird und das bisherige Einkaufsverhalten wieder da ist. Ich jedenfalls freue mich schon auf unser nächstes Frühstück beim Bäcker! Am Ende hat der Kunde entschieden und wer sich bewegt hat, hatte dann auch Erfolg.