Digital bezahlen Cash oder E-Cash

Immer mehr Menschen in Deutschland nutzen beim Bezahlen ihr Smartphone. Mit einer speziellen App auf dem Gerät oder ihrer Giro- beziehungsweise Kreditkarte überweisen sie das geforderte Geld elektronisch. Besonders an Tankstellen wird gerne digital bezahlt. Je höher der Betrag, desto öfter. Doch kleinere Summen im Bistro oder im Kiosk werden gerne bar auf die Theke gelegt. Das ist immer noch die Mehrheit der Zahlungsvorgänge. Worauf muss sich also auch die Convenience-Branche künftig einstellen.

Freitag, 10. Januar 2020 - Tankstelle
Martin Heiermann
Artikelbild Cash oder E-Cash
Bildquelle: Getty Images

Das Bargeld wird in Deutschland weiter an Bedeutung verlieren. Davon sind hier zu Lande viele Finanzexperten überzeugt. Vor allem aber die Interessenvertreter und Anbieter im Bereich des E-Payment. So etwa der Zahlungsdienstleister Wirecard. Die Produktchefin des Konzerns äußerte in einem Pressegespräch die Auffassung, dass das Smartphone zum dominanten Zahlungsmittel werde: „Das ist der logische Weg“, sagte Susanne Steidl, denn „das Mobiltelefon ist die Identifikation des Menschen.“

Allerdings sind Zahlungen in Deutschland per Smartphone noch deutlich steigerungsfähig. Nach einer Umfrage der Deutschen Bundesbank aus dem Jahr 2017 nutzen weniger als 10 Prozent der Verbraucher ihr Handy oder eine App, um in einem Geschäft ihre Rechnung zu bezahlen. Allerdings sehen die Zahlen für das Einkaufen in Onlineshops, wie dieselbe Untersuchung feststellt, schon deutlich anders aus: Demnach nutzen die Käufer im World Wide Web zu 58 Prozent Instrumente von Internetbezahlverfahren. Nicht enthalten ist in diesen Zahlen die Überweisung des Betrages an den Onlinehändler mit Kredit- oder Girokarte. Noch einmal zwölf beziehungsweise sechs Prozent nutzen eben diese Verfahren für den Web-Einkauf.

Zahlungen per Karte sind in der Bundesrepublik schon lange verbreitet, doch bei mobilen Bezahl-Apps waren die Deutschen bislang zögerlich. Hier zu Lande nutzten nur 25 Prozent der Verbraucher mobile Zahlverfahren, in den Niederlanden sind es dagegen bereits mehr als die Hälfte, heißt es in einer im März dieses Jahres veröffentlichten Studie der Unternehmensberatung PwC. Doch das Bild werde sich auch in Deutschland bald schnell verändern, meinen die Berater in ihrer Prognose.

Dazu beitragen soll, dass seit Ende 2018 Apple Pay und Google Pay auch in Deutschland verfügbar sind. Auch hat die Allianz eine ursprünglich in Italien getestete Bezahl-App nun in Deutschland auf den Markt gebracht. Und der in München beheimatete Bezahlspezialist Wirecard ist quasi überall dabei: Einerseits als Kooperationspartner für Apple, Google, Visa, die Allianz und andere Unternehmen, andererseits mit der eigenen Bezahl-App Boon. Und an sehr vielen Ladenkassen ist Wirecard ebenfalls präsent, weil das Unternehmen den Händlern die Schnittstelle für elektronische Bezahlverfahren liefert.

Die Daten der Bundesbank zeigen entsprechend , dass die Verbraucher immer häufiger zur Karte oder zum Handy greifen: 2014 wurde in Deutschland 3,4 Milliarden Mal elektronisch bezahlt – sowohl an Kassen beispielsweise im Handel oder in der Gastronomie als auch bei Einkäufen im Internet und per Telefon. 2018 waren es bereits fast 5,3 Milliarden elektronische Bezahlvorgänge. Darin enthalten ist das mobile Bezahlen mit dem Smartphone. Dies wird aber nicht separat erfasst, wie eine Sprecherin der Bundesbank erläutert.

„Die Kunden orientieren sich neu und setzen ihre Karten für immer kleinere Beträge ein“, meint Geschäftsführer Ulrich Binnebößel, Experte für Bezahlverfahren beim Handelsverbands Deutschland. Doch ob das in dieser Form wirklich zutrifft, und wie die Veränderungen im Zahlungsverhalten künftig aussehen werden, scheint noch offen. Denn in Deutschland werden – zumindest im Jahr 2017 war das noch so – rund 80 Prozent aller Bezahlvorgänge mit Bargeld getätigt, so die Sprecherin der Bundesbank. Für andere Euro-Länder gilt nach den Zahlen vom Dezember 2017: Die Menschen in Österreich, Portugal, Spanien, Italien und Griechenland greifen noch öfter zu Münzen und Scheinen als die Deutschen. Spitzenreiter unter den Bargeldzahlern sind die Bürger Maltas. Dort werden nicht 80 Prozent der Geschäfte mit Bargeld, sondern 92 Prozent bar abgewickelt.

Kein Verzicht aufs Bargeld
Und auch in den USA werden noch immer 40 bis 50 Prozent der Rechnungen bar beglichen. Darauf weist Achim Bönsch im Gespräch mit diesem Magazin hin. Bönsch ist Mitgründer des Startup Barzahlen.de. Das junge Berliner Unternehmen verbindet die klassische Form des Einkaufens und Bezahlens mit Münzen und Scheinen mit dem digitalen Abrechnen in Webshops, dem Einkaufen im stationären Handel und dem Abwickeln von Finanzgeschäften mit Behörden und Banken. Die Kunden des Dienstleisters sind Menschen, die nicht auf das Bargeld verzichten möchten oder auch über keine Kredit- oder Girokarte verfügen und keine Bezahlapp nutzen oder nutzen möchten. Auch junge Menschen gehören zur Zielgruppe, die eventuelle nur über Taschengeld verfügt.

Für diese Kunden hat das Startup ein System entwickelt, mit dem man auch im Internet bar bezahlen kann. Der Kauf läuft wie gewohnt ab, nur dass man beim Bezahlen nicht seine Kreditkarten- oder Kontonummer eingibt, sondern einen Barcode anfordert. Damit geht man zu einem örtlichen Partnergeschäft von Barzahlen.de und löst dort den Code mit Bargeld aus. Das Geschäft bestätigt dem Online-Shop die Zahlung, und es kommt zur Lieferung. Natürlich können auf diese Weise auch Forderungen von Banken oder Behörden beglichen werden, ohne dass ein elektronisches Zahlungsverfahren oder auch ein Konto benötigt würde.

Mitgründer Bönsch ist von der Geschäftsidee überzeugt: Es sei grundsätzlich allerdings immer zu überlegen, mit welchen Zielgruppen man es zu tun habe und in welcher Form diese Zielgruppen bezahlen. Wenn das Menschen seien, die alle ein hohes sechsstelliges Einkommen haben, sei damit zu rechnen, dass Bargeld fast nicht mehr vorkommt. „Wenn Sie aber den deutschen Durchschnitt haben, mit ganz normalem Job, da wird Bargeld mindestens für 50 Prozent aller Transaktionen genutzt“, meint Bönsch. In niedrigen Einkommenssegmenten mit einem Jahreseinkommen von rund 20.000 Euro brutto werde Bargeld in fast 80 bis 90 Prozent aller Zahlungen eingesetzt. Der Grund dafür sei vor allem, dass Menschen mit wenig Einkommen mit Bargeld ihre Ausgaben besser kontrollierten könnten.

Rewe und Dr. Eckert sind dabei
Über 100.000 Online-Shops, darunter Amazon.de und Rakuten.de, die Drogeriemarkt-Ketten Rossmann, dm und Budni, die großen Lebensmittel-Einzelhändler Rewe und Real sowie aus dem Convenience-Markt die Dr.-Eckert-Gruppe, mit ihren verschiedenen Shop-Formaten, machen beispielsweise hier zu Lande mit. Sie haben sich dem im Jahr 2011 gegründeten Barcode-System angeschlossen. Auch Wohnungsgesellschaften und Energieunternehmen nutzen das System. Rewe Digital ist zudem Investor bei der Berliner Neugründung.
Für Achim Bönsch und sein Team stellt sich die Welt daher ganz anders dar, als für die Wettbewerber aus dem Lager der Bargeldgegner. Das Unternehmen expandiert gerade nach Österreich, Italien, Griechenland und in die Schweiz. Das bargeldarme Schweden ist für die Digital Natives hingegen ein Ausnahme. Allerdings glaubt auch Achim Bönsch nicht, dass beim Bargeld alles so bleibt, wie es ist. Seine Prognose: Das Bargeld werde von den Banken zu den Geschäften wandern. Hier sieht Bönsch auch eine große Chance für den Handel, insbesondere auch für den kleinfächigen Lebensmittel-Einzelhandel, den Nahversorger um die Ecke. Denn der Kunde, der Barzahlen.de nutzt, wird den Barcode immer zu seinem nächstgelegenen Händler tragen, meint Bönsch. Das ist für die Nutzer convenient. Der Handel und auch die Shops profitieren von der steigenden Frequenz, die ja auch messbar für die einzelnen Standorte ist. Allerdings ist der Convenience-Handel derzeit unter den Partnern von Barzahlen.de noch unterrepräsentiert. Das liegt allerdings nicht daran, dass eine Kooperation technisch nicht möglich wäre. Denn die beiden führenden Kassensystemanbieter der Branche, Scheidt & Bachmann sowie Huth, bieten entsprechende Schnittstellen an. Bönsch räumt denn auch ein, dass die Einbindung von Tankstellen für sein Startup eine weitere Herausforderung sei, zumal Uwe Franke, der ehemalige Vorstandsvorsitzende der BP Deutschland und zuletzt der BP Europe, im Beirat des Unternehmens sitzt.

Der Handel bekommt laut Bönsch, auf diese Weise die Chance, vermehrt Bankdienstleistungen zu übernehmen. Mit dem System könne der Kunde seine Rechnungen bezahlen, auch die eines Online-Einkaufs, Geld abheben oder Geld einzahlen. Die Verbraucher werden „sicherlich nie ein Depot eröffnen können. Aber Basic Banking Services sind schon Themen, bei denen der Einzelhandel aufgrund seiner Standorte Vorteile hat“, meint der Mitgründer.

Tankstellen setzen auf Apple Pay
Viele Tankstellen-Gesellschaften gehen allerdings einen anderen Weg. So hat etwa Total Deutschland eine App entwickelt, die nicht nur das Finden der nächsten Station erleichtert und den Tankvorgang unterstützt, sondern auch E-Payment ermöglicht. Die Deutsche Tamoil bietet ebenfalls an ihren norddeutschen Stationen der Marke Hem das Bezahlen mit dem Smartphone über eine eigene App an. Diese ist jedoch eingebunden in das digitale Angebot eines großen deutschen Autoherstellers. Zudem führte Tamoil jüngst offiziell Apple Pay als weitere Zahlungsmethode im gesamten Netzwerk von über 400 Tankstellen ein. Damit soll der mobile Zahlungsverkehr noch einfacher, schneller und auch sicherer werden, so das Unternehmen.
Auch an allen Jet-Tankstellen ist die Zahlung sowohl mit Apple Pay als auch mit Google Pay möglich. „Wir haben den Anspruch, unseren Kunden das Leben bei jedem Besuch leichter zu machen und dafür auch neue Technologien zu nutzen“, erklärt Oliver Reichert, Retail Manager Germany der Jet-Tankstellen in Deutschland. Bereits seit 2010 ist an den Star-Tankstellen der Orlen Deutschland kontaktloses Bezahlen eine Alternative. Seit Anfang des Jahres ist das auch über Apple Pay möglich. Die neue Funktion ergänze die bisherigen kontaktlosen Zahlungsmethoden wie Google Pay oder klassische Kreditkarten mit Nahfeldkommunikation (NFC), meint Waldemar Bogusch, Vorsitzender der Geschäftsführung von Orlen Deutschland: „Mit Apple Pay erweitern wir unser Angebot, um den Einkauf für unsere Kunden so bequem und verzögerungsfrei wie möglich zu gestalten“, erläutert er.

Auch Tank & Rast, führender Dienstleister auf deutschen Autobahnen, bietet Apple Pay an. Der Zahlungsweg sei schnell, bequem, mobil und sicher. Insgesamt stünden über 2.500 Kontaktstellen zur Verfügung, an der Autobahn, in Bahnhöfen und Einkaufszentren. Karl-H. Rolfes, CEO der Tank & Rast-Gruppe, will damit die Kundenorientierung und Service-Exzellenz weiter ausbauen.

Keine Kasse, kein Bargeld
Gegen das Bargeld sprechen auch die neuesten kassenlosen, fast ohne Mitarbeiter konzipierten Shop-Formate, wie sie etwa von Amazon oder von Valora in der Schweiz forciert werden. Dort wird ausschließlich mit E-Cash bezahlt. Und auch Real probiert sich jetzt auf kleiner Fläche und setzt dort auf E-Payment. In der Stuttgarter Innenstadt hat der Einzelhändler einen Standort eröffnet, der 365 Tage im Jahr, 24 Stunden pro Tag geöffnet ist. Er habe die angenehmen Atmosphäre eines „Tante Emma“-Ladens. Kunden erhalten alle Produkte des täglichen Lebens. Bestellt wird mit der neuen „Emmas Enkel“-App. Kunden können damit nach dem „Click&Collect“-Prinzip ihren Warenkorb immer und von überall zusammenstellen. In der App kann mit PayPal, im Markt selber auch per EC- oder Kreditkarte sowie mit Google Pay und Apple Pay bezahlt werden. Nach der Zahlung erhält der Kunde einen QR-Code, mit dem die Bestellung zu jeder beliebigen Zeit am Abholterminal im Markt abgeholt werden kann. Die Kunden können auch im Geschäft auf einem Terminal aus einem Sortiment von rund 500 Artikeln wählen. Eine vollautomatische Warenausgabe liefert das Bestellte.

Wer braucht in solchen Handelsformaten also künftig noch Bargeld? Vielleicht der Gast in der Gastronomie nebenan, um dem Service ein gutes Trinkgeld zukommen zu lassen.