Nutzfahrzeuge Fahrzeuge unter Strom

Benzin- und Dieselfahrzeuge haben eine ungewisse Zukunft. Unternehmer sollten vorausschauend auf alternative Antriebe setzen.

Donnerstag, 14. September 2017 - Industrie
Thomas Klaus
Artikelbild Fahrzeuge unter Strom
Bildquelle: Convenience Shop

Wenn es um Trends im Nutzfahrzeuge-Markt geht, macht man Dr. Kay Lindemann nichts vor. Beim Verband der Automobilindustrie (VDA) ist er als Geschäftsführer für diese Fahrzeuggruppe verantwortlich und benennt die Trends. Zu denen gehören u. a. ein Mehr an Telematik für eine effizientere Routenplanung und für eine gezielte Steuerung ganzer Flotten sowie eine größere Vielfalt bei den Aufbauten. Außerdem wächst das Interesse an flexiblen Transportern, die mehrere Kundenwünsche erfüllen können: Während der Woche schleppen sie Lasten, und am Wochenende werden mit ihnen Personen befördert

Auffällig: Die Design-Karte wird häufiger gezückt. Ein Nutzfahrzeug soll eben nicht nur fahren, sondern durch gefällige Formen auch optisch etwas hermachen. Und dann der Trend zur Elektromobilität. Der VDA-Mann beobachtet: „Der Umstieg auf diese Technologie ist in vollem Gange.“

Die Unternehmen erweisen sich hier übrigens als Innovationstreiber. Denn mehr als 70 Prozent der Neuzulassungen gehen trotz aller Vorbehalte auf ihr Konto. Der Digitalverband Bitkom fand im Rahmen einer Befragung heraus, dass die Reichweiten-Problematik 76 Prozent von ihnen in Sachen Elektromobilität ausbremst – gefolgt von den Anschaffungskosten (46 Prozent) und dem Aufwand, Elektrofahrzeuge in den bestehenden Fuhrpark integrieren zu müssen, etwa weil dafür zusätzliche Wartungsverträge nötig sind oder eigene Ladestationen installiert werden müssen (46 Prozent).

Jedes fünfte Unternehmen (20 Prozent) beklagt, dass es bislang kein E-Modell gibt, das die eigenen Anforderungen in Bezug auf den Komfort oder ausreichende Ladekapazitäten erfüllt (20 Prozent).

Reichweite verdreifachte sich innerhalb von zehn Jahren

Laut einer Analyse der Managementberatung Horváth & Partners hat sich das Reichweitenpotenzial von Elektroautos zwischen 2011 und 2016 durchschnittlich von 150 auf 270 km erhöht. Nach Einschätzung der Analysten soll der durchschnittliche Reichweitenwert bis 2020 auf 450 Kilometer steigen.

Weil die Zahl der Stromtankstellen entlang der europäischen Hauptverkehrsachsen erhöht und eine hohe dreistellige Zahl erreicht werden soll, haben VW, Audi, Porsche, Daimler und BMW ein Konsortium gebildet. Ferner will die Bundesregierung bis Mitte 2019 rund 300 Mio. Euro in die elektromobile Infrastruktur investieren.


„e. GO Life“ ergänzt den StreetScooter

Deutliche Fortschritte wurden auch bereits bei den Anschaffungskosten erzielt – zumindest im Segment der Nutzfahrzeuge für den Stadtverkehr. Davon kann aktuell die Deutsche Post DHL Group ein Lied singen, die langfristig den Großteil ihrer Lieferflotte auf den elektrischen Betrieb umstellen will und mit den Ford-Werken eine Partnerschaft eingegangen ist.

Ein Anfang ist gemacht: 2.500 Exemplare eines Kleinlastwagens sind im Einsatz; die Produktion wurde auf 10.000 Fahrzeuge pro Jahr erhöht. Die Entwickler hatten beim StreetScooter auf ein stabiles, aber einfach zu fertigendes Fahrzeugchassis gesetzt. Und sie konzentrierten sich konsequent auf die vorgesehene Nutzung – in diesem Falle das Verteilen von Briefen und Paketen im Nahverkehr. Entsprechend fielen Elektromotor und Batterie kleiner aus; Antriebssystem und Fahrwerk wurden maßgeschneidert.

Der nächste Coup wird ein preiswertes Elektroauto für den Stadtverkehr sein: Das 3,4 m lange und 500 kg leichte „e.GO Life“ soll im kommenden Jahr seinen Serienstart erleben und rund 16.000 Euro kosten. Die Leistung beträgt 22 Kilowatt (30 PS) und die Reichweite ungefähr 100 Kilometer – für den Stadtverkehr sicherlich ausreichend.

Die Rahmenbedingungen, die die Politik setzt, fallen eindeutig im Sinne der Elektromobilität aus, wie das „Gesetz zur steuerlichen Förderung der Elektromobilität im Straßenverkehr“. Es sieht vor, dass für bis Ende 2020 zugelassene Elektrofahrzeuge keine Kfz-Steuer gezahlt werden muss. Außerdem werden Unternehmen beim Aufbau von Lade-Infrastrukturen für die Autos ihrer Mitarbeiter bezuschusst.

Seit Juni 2015 gilt das „Elektromobilitätsgesetz“. Es berechtigt Städte und Gemeinden, E-Fahrzeuge z.B. bei Parkplätzen zu privilegieren. Parallel dazu wächst der Druck auf die Nutzer konventioneller Antriebe. Das trifft besonders auf den Diesel zu.

„Diesel-Zeitalter hat seinen Höhepunkt überschritten“

Viele Experten sind überzeugt, dass sich der Diesel nie wieder berappeln wird. Anderen Verbrennungsmotoren wird ebenfalls eingeheizt. So hat Volvo als erster traditioneller Autobauer für 2019 angekündigt, dass sämtliche Modelle mit Elektro- oder Hybridantrieben ausgestattet werden. Und VDA-Geschäftsführer Lindemann weiß, dass die deutschen Hersteller bis 2020 ihr Modellangebot von gegenwärtig 30 auf 100 Elektroautos mehr als verdreifachen möchten. Im selben Zeitraum sollen 40 Mrd. Euro in die Entwicklung alternativer Antriebe investiert werden.

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