Food online Der Kick mit dem Klick

Der Online-Handel boomt, und mancher Branchenkenner prophezeit ihm eine blühende Zukunft. Blindes Vertrauen in globale Aussagen kann aber fatale Folgen haben.

Samstag, 27. April 2013 - E-Food
Ulrike Pütthoff
Artikelbild Der Kick mit dem Klick
Bei Emmas Enkel findet man beide, den klassischen Kaufzettel sowie den „elektronischen“. Kunden nutzen sowohl das eine wie auch das andere Medium. (Bildquelle: Martin Kämper)

Vor allem dann, wenn Kleinflächen bzw. C-Stores ihre ganze Kraft in den E-Commerce stecken und das Kerngeschäft aus dem Auge verlieren. Wer sich als Multichannel-Retailer auf mehreren Standbeinen aufstellt, ist auf der sichereren Seite.

Emmi P. ist an den Rollstuhl gefesselt. Ihre Wohnung in der ersten Etage will sie aber nicht verlassen. Dort lebt sie seit mehr als 60 Jahren. Schon früh hatte sie sich mit dem World Wide Web auseinandergesetzt. Das kommt ihr jetzt zu Gute: Sie skypt mit der Enkelin, verfolgt die Reiseberichte von Freunden und tauscht mit ihrer Tochter Fotos per Mail aus. Das Internet bringt der betagten Dame die Welt ins Haus. Und die Lebensmittel auch, denn Emmi P. kauft online ein. Das macht sie unabhängig. Wenn sie wollte könnte sie zu jeder Tages- und Nachtzeit, wo auch immer, ihre Bestellung aufgeben. Doch sie bleibt ihrem Rewe-Händler treu. Dieser liefert die georderte Ware aus und verstaut sie auch gleich in Schränke und Tiefkühltruhe. Für die Seniorin eine enorme Erleichterung, denn es fällt kein Verpackungsmüll an, den sie nur schwer entsorgen könnte. All das passiert auf einer großen Vertrauensbasis, die sich der Kaufmann bei Emmi P. aufbauen konnte.

Das ist eine der wichtigsten Voraussetzungen für das Online-Geschäft. Als vor rund 15 Jahren E-Shops wie Pilze aus dem Boden sprießten, waren einige an mangelndem Kundenvertrauen gescheitert. Die Kosten wurden schließlich von den Umsätzen nicht mehr gedeckt, sagt der Branchenreport „Food online“, den die BBE media GmbH & Co. KG herausgibt. Henrik Schröder und Sophie König stellen darin fest, dass mittlerweile viele vertrauensbildende Maßnahmen (etwa Prüfsiegel für Online-Shops, Absicherung von Zahlungsvorgängen und Rückgaberechte) die Risiken für den Kunden erheblich reduziert haben.

Die Autoren analysieren in ihrer Studie, welche Fehler beim ersten Online-Boom gegen Ende der 90er Jahre gemacht wurden und leiten daraus neue Handlungsweisen für den wieder aufblühenden interaktiven Handel ab. Dass er funktioniert, belegen die steigenden Umsätze und Kauffrequenzen. Immerhin sollen seine Gesamterlöse in Deutschland vergangenes Jahr um 27,2 Prozent, sprich 5,9 Mrd. Euro, auf 27,6 Mrd. Euro zugelegt haben, teilte der Bundesverband des Deutschen Versandhandels (bvh) mit. Dabei handelt es sich um gekaufte Waren, nicht enthalten sind Dienstleistungen und digitale Güter wie Flugtickets, Veranstaltungen oder Fahrkarten. Sie setzten noch einmal 9,7 Mrd. Euro on top.

Meistgekaufte Ware beim E-Commerce ist mit Abstand Bekleidung (fast 6 Mrd. Euro Umsatz in 2012), dann folgen Unterhaltungselektronik und Elektroartikel, Computer und Zubehör sowie Bücher. Lebensmittel, Delikatessen und Wein liegen mit 460 Mio. Euro im Umsatzranking auf Platz 17 (hinter Drogerieartikel, Kosmetik und Parfüm). Damit zählen sie zwar nicht zu den stärksten Warengruppen, doch ein Wachstum von 15 Prozent ist nicht wegzudiskutieren. Und das Ende der Fahnenstange scheint damit lange noch nicht erreicht, denn der bvh prognostiziert für dieses Jahr wieder ein Plus, das sich mindestens im unteren zweistelligen Bereich bewegt.

Es wundert also nicht, wenn Lebensmittelhändler zum Multichannel-Retailer rüsten und das Internet nicht als Bedrohung sehen. Zwei Standbeine – stationär und online – geben ihnen auch die Möglichkeit zur Querfinanzierung. Somit räumt das sich stark wandelnde Einkaufsverhalten diesem E-Shop auch Chancen ein. Immerhin gehören mittlerweile alle Verbrauchertypen und Altersklassen zur Zielgruppe. Auch die Ära +60 ist längst mit dem Medium Internet vertraut.

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Bild öffnen Bei Emmas Enkel findet man beide, den klassischen Kaufzettel sowie den „elektronischen“. Kunden nutzen sowohl das eine wie auch das andere Medium. (Bildquelle: Martin Kämper)