MyEnso Wie und was der Kunde will

Nicht nur die urbanen Onlineaffinen will der E-Food-Anbieter MyEnso erreichen, sondern auch Kunden auf dem Land und in Kleinstädten. Wichtig sind die Nahversorgung, die Kundenwünsche und die Teilhabe.

Mittwoch, 08. Januar 2020 - E-Food
Martin Heiermann

MyEnso ist anders als andere Lebensmittel-Onlineshops. Mit diesem Anspruch haben Thorsten Bausch und Norbert Hegmann ihr Startup Enso E-Commerce gegründet. Seit einem Jahr verkauft der Onlinehändler sein Food-Angebot im Internet. Und wer genau hinschaut, findet tatsächlich einige Besonderheiten im Geschäftsmodell der beiden Gründer. Der Webshop MyEnso will sich unterscheiden, von den Konzepten, die aus Sicht der Beiden auf den alten klassischen Geschäftsmodellen des stationären Handels basieren. Diese Modelle würden von vielen Händlern einfach nur auf das Onlinegeschäft transferiert. „MyEnso wird sich zu einem One-Stop-Shop-Online-Supermarkt entwickeln, der alle relevanten Bedürfnisse mit einer breiten und tiefen Sortimentsvielfalt aus einer Hand bedienen kann“, betont Geschäftsführer Bausch gegenüber Convenience Shop und beschreibt damit auch die Positionierung des Unternehmens. Der Schwerpunkt liege dabei auf einem Spezialsortiment, bei dem der Onlineshop mit heute zunächst 5.000 Artikeln bereits Marktführer sei. 20.000 Artikel kommen derzeit schon als klassisches Supermarktsortiment hinzu. Insgesamt bietet MyEnso derzeit immerhin 25.000 Produkte.

Ein Blick auf das Geschäftsmodell von MyEnso zeigt aber auch, dass dort viel Convenience drin ist. Nicht nur das Angebot eines One-Stop-Shopping geht in diese Richtung. Wichtig ist den beiden Gründern, dass alle Kundengruppen angesprochen werden. Zielgruppe sind nicht nur die urbanen Onlineaffinen, die etwa von Amazon Fresh oder Bringmeister in den Blick genommen werden. Das Startup will alle erreichen. Gerade auch jene Gruppen, die schon seit einiger Zeit auf eine adäquate Nahversorgung verzichten mussten. Sowohl die spezifischen Bedürfnisse dieser ländlichen Kunden sollen befriedigt werden als auch beispielsweise die des städtischen Veganers, der alle Artikel seines täglichen Bedarfs im MyEnso Webshop finden soll.

Mit „Tante Enso“ vor Ort
Um dieses Ziel zu erreichen und potenzielle Shopper anzusprechen, erarbeitete der E-Food-Anbieter bereits verschiedene Maßnahmen. So hat er in der kleinen Gemeinde Blender mit rund 3.000 Einwohnern, in der Nähe von Verden an der Aller, das Modell „Tante Enso“ gestartet. Dort besteht keine richtige Nahversorgerstruktur mehr. Daher hat MyEnso mit der dortigen Bäckerei ein Pilotprojekt entwickelt. Die Bestellungen der Dorfgemeinschaft werden hier aufgenommen. Natürlich besteht auch die Möglichkeit der Online-Bestellung. Einmal wöchentlich wird bei „Tante Enso“ die Ware geliefert und verteilt beziehungsweise abgeholt. Seit rund einem Jahr besteht dieses Modell.

Der Lebensmittel-Online-Shop beliefert aber auch Senioreneinrichtungen, ähnlich wie dies beispielsweise der Wettbewerber Mytime.de umsetzt. Der Unterschied ist allerdings, dass MyEnso in diesem Bereich in erster Linie mit Convivo zusammenarbeitet. Der Betreiber von mehr als 60 Seniorenwohnheimen ist auch gleichzeitig Gesellschafter bei dem E-Commerce-Unternehmen. Auch in diesen Senioreneinrichtungen werden Bestellungen gesammelt und einmal wöchentlich ausgeliefert. Darüber hinaus setzt der E-Food-Anbieter eigene Auslieferungs- und Verkaufsfahrzeuge gerade in Care-Bereich ein. Noch geschieht dies in geringer Zahl. Die Fahrzeuge, die die schöne Bezeichnung „MyEnso Tüt“ tragen, haben, so erläutert Thorsten Bausch, zusätzlich zu den bestellten Produkten ein überschaubares Sortiment an Bord. Dies seien überwiegend insbesondere Obst, Süßwaren und Körperpflegeprodukte, in Anlehnung an ein Kioskangebot.

Und auch an Bestell- und Auslieferungspunkte an Marinas, an Campingplätzen und beispielsweise auch an Ferienhausanlagen denken die beiden Geschäftsführer, um eine möglichste hoch Zahl von Käufern zu erreichen. Darin stecke auch die Absicht, jede Möglichkeit der Bündelung zu ergreifen, um die Belieferung effizienter und wirtschaftlicher zu machen. Doch das Unternehmen plant nicht, solche Auslieferungspunkte in Eigenregie zu betreiben. Man wolle vielmehr gegebene Strukturen für sich nutzen. Doch zu hundert Prozent wollen Bausch und Hegmann eine solche Möglichkeit nicht ausschließen. Wenn die Kunden des Onlineshops und auch die sogenannten Pioniere des jungen Unternehmens einen solchen Wunsch in großer Zahl äußern, werden die beiden Gründer wohl noch einmal nachdenken.

Kunden und Pioniere
Denn bei MyEnso dürfen Kunden und vor allen auch die Pioniere sich solche Bestell- und Abholmöglichkeiten wünschen, vor allem aber auch darüber mitbestimmen, welche Produkte sie im Sortiment sehen möchten und welche Features sie sich auf den Webseiten wünschen. Unter Pionieren versteht Bausch besondere Mitmacher und Gestalter, die dem E-Commerce-Unternehmen ein intensives Feedback geben und einen Durchschnitt der Gesellschaft abbilden sollen. MyEnso generiert diese Daten auch um Marktforschung zu betreiben. So hat das Startup ein eigenes Programm entwickelt und arbeitet derzeit mit fünf großen und 15 kleineren sowie mittleren Herstellern zusammen. Welche dies sind wollte Thorsten Bausch nicht verraten.

Auf Wunsch wird auch das Sortiment vergrößert. Ziel sei es, zunächst auf mindestens 30.000 Artikel aufzurüsten. Im Raum standen auch schon mal die Zahlen von 45.000 beziehungsweise 100.000 Produkten. Die Produkt-Anzahl im Spezialsortiment soll ebenfalls weiter in die Höhe getrieben werden. Es bietet zurzeit die wichtigsten Artikel von gut 800 deutschen Herstellern und Anbietern sowie von Food-Startups.

Das Startup ist genossenschaftlich organisiert: Wer will, kann Teilhaber werden. Doch bisher hat eine Crowdfunding-Kampagne offenbar nicht funktioniert. Statt der geplanten 800.000 Euro kamen nach Medienberichten knapp 78.000 Euro zusammen. Die Gründer brachen die Kampagne ab. Teilhaber aber sind, so ist zu lesen, neben dem Altenheimbetreiber Conviva, die Madsack Verlagsgruppe und die Digitalagentur Team Neusta. Doch das reicht wohl noch nicht aus, denn der Onlinehändler schreibt nach wie vor Verluste. So wurde aktuell ein Bankdarlehen aufgenommen. Thomas Bausch aber ist optimistisch: Ende des Jahres soll MyEnso 45.000 Kunden haben. Das sind rund doppelt so viele wie heute.