Die neue Herausforderung Moderne Kunden haben die Wahl

Wer heute von New Channels spricht, der darf eines keinesfalls vergessen: Online-Shops. Die Redaktion von Convenience Shop sieht diese als neuen Teil der Convenience-Branche und spricht die Akteure des E-Food-Geschäfts jetzt auch mit CS direkt an. Convenience Shop-Chefredakteur Hans Jürgen Krone erläutert, warum das Sinn macht.

Donnerstag, 08. November 2018 - E-Food
Hans Jürgen Krone
Artikelbild Moderne Kunden haben die Wahl
Bildquelle: Getty Images

 25 Jahre nachdem sich die Convenience-Branche in Deutschland endgültig etabliert hat, steht der Markt vor einer neuen Ausbaustufe. Der Onlinehandel mit seinem E-Food wird den bequemen Einkauf auch in Deutschland in ganz neue Dimensionen bewegen, da sind sich die Fachleute, natürlich mit Blick auf andere Branchen des Handels, weitgehend einig.

Unbequeme Regeln abschütteln

Und wie schon bei den Convenience Stores ist die Ursache dafür nicht bei irgendwelchen Marketingstrategen zu finden, sondern liegt in den Veränderungen im Konsumentenverhalten. In den 90er Jahren wollten viele Verbraucher endgültig die unmodernen und unbequemen Regeln bei der Versorgung mit Dingen des täglichen Bedarfs ad acta legen. Altmodische Öffnungszeiten, eine zunehmende Zahl von Menschen, die in Klein- oder Singlehaushalten leben und keinen großen Familieneinkauf mehr machen und die lästige Notwendigkeit, für viele unterschiedliche Bedürfnisse mehrere Läden aufsuchen zu müssen, das waren entscheidende Ansatzpunkte für die Convenience-Stores in Deutschland.

Anknüpfungspunkt für die Tankstellen, die in Deutschland Vorreiter für das Angebot moderner Convenience-Stores waren und hier immer noch eine entscheidende Rolle spielen, war die Entwicklung zur mobilen Gesellschaft. Diese verlangte nach neuen Angeboten, diesen Lebensstil besser mit der Befriedigung von täglichen Notwendigkeit, wie dem Einkauf von Lebensmitteln, verknüpfen zu können. Für diese Kunden war das Konzept von One-Stop-Shopping ideal. Man muss nur einmal anhalten und kann mehrere Dinge auf einmal erledigen: Einkaufen, vor Ort etwas essen und gleichzeitig noch wichtige Dienstleistungen in Anspruch nehmen. Diese attraktive Kombination brachte sogar deutsche Verbraucher, die sich in großer Zahl auf der einzigartigen deutschen Discounter-Welle zu Schnäppchen-Jägern bei Lebensmitteln entwickelt hatten, dazu, für die Erleichterung zumindest in gewissem Maße höhere Preise zu akzeptieren.

Entwicklung der digitalen Gesellschaft

Heute, 25 Jahre später, steht Bequemlichkeit bei der Versorgung mit den Dingen des täglichen Bedarfs weiterhin hoch im Kurs. Anknüpfungspunkt für die Online-Anbieter von E-Food ist wieder eine gesellschaftliche Entwicklung, nämlich die zur digitalen Gesellschaft.

Wer sein Leben digital organisiert, der will irgendwann auch Dinge des täglichen Bedarfs per Handy und Computer regeln. Kein Wunder also, dass jetzt ein Convenience-Mitstreiter vor der Tür steht, durch den die Karten wieder neu gemischt werden könnten. Noch ist E-Food, das bereits viel mediale Aufmerksamkeit bekommt, ein kleines Pflänzchen. Die Expertenschätzungen, was den Umsatzanteil am deutschen Lebensmittel-Handel angeht, liegen derzeit alle zwischen 1,5 und 2 Prozent. „Nur jeder sechste deutsche Haushalt, 6 Mio. von ca. 40 Mio. Haushalten insgesamt, kauft zumindest ab und zu Waren des täglichen Bedarfs online ein“, stellte Nielsen kürzlich in seiner E-Food Analyse 2018 fest. Doch die Erwartungen sind allgemein sehr groß und wer von sich reden machen will, der veröffentlicht möglichst hohe Prognosen für das neue Segment, schon für die nächste Zukunft.

Sachlich bleibt dagegen der bereits 2017 vom Institut für Handelsforschung (IFH) und dem Handelsverband Deutschland (HDE) herausgegebene Handelsreport Lebensmittel Online. Dort heißt es: „Die Analyse des Status quo der Online-Aktivitäten des LEH und der Lieferanten des LEH zeigt eine Branche auf der Schwelle. Auch wenn die Umsatzanteile online von FMCG bisher deutlich unterdurchschnittlich sind, stellen Lebensmittel derzeit den Wachstumstreiber dieses Vertriebskanals dar und versprechen auch in den nächsten Jahren hohe Wachstumsraten. Aufgrund der besonderen Anforderungen an Frische und Qualität ist die logistische Herausforderung an den Online-Vertrieb von Lebensmitteln im Vollsortiment immens. Die Preissensibilität der Verbraucher und hohe Versorgungsdichte und -qualität des LEH bremsen die Entwicklungsgeschwindigkeit zudem.“

Online-Shops müssen jetzt „liefern“

Nicht alle Fachleute argumentieren so sachlich wie es die HDE-Studie tut. Trotz aller Unterschiede zwischen E-Food und Convenience-Stores erinnert die Situation ein wenig an die Anfänge des professionellen Convenience-Marktes. Viele winken auch hier ab und sagen, dass E-Food die Erwartungen der Kunden nicht erfüllen könnte und deshalb jedenfalls mittelfristig in der absoluten Nische bleiben werde. Solche Einschätzung haben aber schon die Kunden der C-Stores nicht von diesem Weg abgebracht, und wer glaubt das schon ernsthaft in Hinblick auf das Online-Shopping? Die Verbraucher haben seither die Convenience-Branche als Kunden nicht mehr verlassen und erwarten, dass sie ihre Bedürfnisse immer noch besser befriedigt. Das müssen jetzt auch die E-Food-Anbieter tun. Wenn der Reiz des Neuen verflogen ist, muss die Branche im wahrsten Sinne des Wortes „liefern“. Aber sind die Online Food-Anbieter eigentlich in der Convenience-Branche wirlich richtig verortet? Wer daran zweifelt, dem sei ein Blick auf führende E-Food-Anbieter in den USA empfohlen, allen voran auf Branchenprimus Amazon Fresh. In dessen Logo heißt es nämlich: „Amazon Fresh – Convenience. Delivered.“. Wettbewerber heißen „My Quality&Convenience“ oder sogar „Convenie“. Und sie werben wie der Online-Lieferant Buddys sogar mit dem Slogan „Convenience Store at your door“. Laut den Marktforschern von Nielsen sind die wichtigsten Einflussfaktoren für den Onlinehandel in den USA 40 Prozent Convenience, 40 Prozent Preis und 20 Prozent Auswahl. Andere sehen die Bedeutung von Convenience beim Online-Kauf von Lebensmitteln in den USA sogar jenseits der 50 bis hin zu 75 Prozent. Dass es sich hier zu Lande kaum anders verhält, kommt aus berufenem Mund. Im Fazit des bereits erwähnten Handelsreport Lebensmittel Online steht ganz klar: „Beflügelt wird der Online-Vertrieb von Lebensmitteln durch das zunehmende Convenience-Bedürfnis der Verbraucher“.

Interessent ist neben langen Öffnungszeiten und guter Erreichbarkeit eine weitere Analogie von Online-Convenience zum C-Store-Shopping in Deutschland. Ihm wurde von Anfang an der Vorteile des bereits erwähnten One-Stop-Shopping-Prinzip attestiert. Gerade online können viele Dinge zur selben Zeit erledigt werden. Man kann die notwendigen Lebensmittel ordern (vielleicht macht das künftig auch der Kühlschrank oder das Vorratsregal), auf den Portalen alle möglichen Dienstleistungen in Anspruch nehmen und sich gleich noch das Essen für abends oder auch für sofort bestellen. „Convenience at one‘s Fingetipps“, wie es in den USA heißt. Die Unternehmen, die hier zu Lande Lieferservice für Mahlzeiten anbieten und im vergangenen Jahr mit mehr als 10 Prozent Umsatzwachstum von sich reden machten, sind damit so etwas wie das Pendant zu den Bistros der Convenience-Shops, die bei uns viele Konzepte erst richtig vorangebracht haben.

Abholung ergänzt Home Delivery

Die Probleme mit der letzten Meile, die für die E-Food-Anbieter immer teurer wird, sind allerdings nicht gelöst. Die Frage, wie der E-Food-Kunde schnell, sinnvoll, praktikabel und möglichst preiswert an seine dann alltägliche Ware kommt, ist weiterhin relativ offen. Vor allem dann, wenn sich das Angebot für die E-Food-Unternehmen letztendlich wirklich rechnen soll. Wer viel online bestellt, ist vielleicht auch wenig zu Hause und nicht jeder hat nette Nachbarn, die Pakete jederzeit annehmen und dann schnell weitergeben können. Auch das ist bei den täglichen Lebensmitteln, selbst ohne die noch problematischere Frischware, schwierig.
Hier kommen Schließfächer wie beispielsweise Amazon Locker ins Spiel. Es ist kein Zufall, dass sich hier die analogen Convenience-Standorte von Bahnhöfen, Tankstellen und Kiosken als ideale Pick-up-Stationen für die Online-Food-Kunden anbieten, denn die Schnittstelle zwischen mobiler und digitaler Gesellschaft ist groß. Kein Wunder also, dass Amazon seine diesbezüglichen Aktivitäten, beispielsweise mit Shell-Tankstellen, aber auch mit Kiosken und an Bahnhöfen 2018 deutlich forciert. Für frische Ware müssten solche Schließfächer dann gekühlt sein. In Skandinavien können sich aber auch Kunden an einigen Tankstellen ihre bestellte Frischware aus gekühlten Anhängern des E-Food-Anbieters herausgeben lassen. Kunden die nach der Abholung dann noch für den Rest des Heimweges einen Kaffee brauchen, können diesen auch noch aus dem Shop mitnehmen, genauso wie manch anderes Shop-Produkt.

Wettbewerb als Chance

So könnte sich der vermeintliche Wettbewerb innerhalb der Convenience-Branche in der Realität als Chance erweisen, den convenience-affinen Kunden durch die Abholung an Tankstellen ein ganzheitliches Angebot zu machen, wie es bisher kaum denkbar war. In den USA testet die größte Supermarktkette Kroger ein solches Abholmodell für E-Food, allerdings mit der Apothekenkette Walgreens, die über praktisch gelegene Standorte und viel Parkraum verfügt. Das wird die dortige Convenience-Branche, die bereits Ideen testet, nicht ruhen lassen.

Anders als in der Anfangszeit moderner stationärer Convenienc-Stores hier zu Lande hat sich der deutsche Lebensmittel-Handel bei E-Food schon entsprechend positioniert, wenn auch noch nicht mit vollem Einsatz. Hier ist für viele mögliche Player noch deutlich Luft nach oben. Rewe, Edeka und andere sind bereits erfolgreich, oder arbeiten daran. Auch im Markt der stationären Convenience Stores an Tankstellen, anderen Verkehrsstationen und in Innenstädten etablieren sie sich inzwischen nach und nach. Das alles folgt einer Logik, der sich große Handelsunternehmen im europäischen Ausland und Übersee schon seit langem unterwerfen: Wer alle Vertriebskanäle im Portfolio hat, kann jedem Kunden jederzeit ein für ihn sinnvolles Angebot machen.

Ein solcher Ansatz macht für den Lebensmittel-Einzelhandel in Deutschland absolut Sinn, denn ihm ist nicht entgangen, dass auch die Discounter, allen voran Aldi, an ganzheitlichen Convenience-Konzepten für ihre Kunden arbeiten, und wer zweifelt daran, dass diese auch im E-Food erfolgreich mitspielen wollen und können? Für die C-Stores in Deutschland heißt es jetzt, diese Entwicklungen im Auge zu behalten. Sie sollten mit den wichtigen Playern im Bereich des E-Foods in Kontakt kommen, um die gemeinsamen Möglichkeiten auszuloten und zukunftsfähige Konzepte zu gestalten.