Transport Logistik muss liefern

Wie die Logistik des Lebensmittel-Einzelhandels sind auch die Convenience-Shops in Deutschland auf eine reibungslos funktionierende Liefer-Logistik angewiesen. Das wird nicht einfacher.

Samstag, 30. Juni 2018 - E-Food
Martin Heiermann, Hans Jürgen Krone
Artikelbild Logistik muss liefern

„In den Innenstädten erleben wir täglich einen Verkehrsinfarkt. Auch nehmen die Restriktionen für den Lkw-Verkehr zu.“ So beschreibt Birgit Heitzer, die Leiterin der Konzern-Logistik der Rewe-Group, die aktuelle Situation auf Deutschlands Straßen. Die Verkehrsinfrastruktur sei marode, Brücken für den Schwerverkehr gesperrt und Baustellen würden das Problem zusätzlich verschärfen. Milliardeninvestitionen in das Verkehrssystem seien daher absolut wichtig und richtig, mahnt sie bei der Politik. Währenddessen wird eine weitere Verschärfung der Situation wahrscheinlich. So könnten sich weitere Städte Hamburg anschließen und Dieselfahrverbote verhängen.

Lieferverkehr nimmt zu

Währenddessen nimmt der Lieferverkehr ständig weiter zu. Ursache dafür ist einerseits der boomende Online-Handel. Wurden 2016 deutschlandweit knapp 3,2 Milliarden Päckchen und Pakete ausgeliefert, wird sich das Volumen nach Einschätzung des Bundesverbands Paket- und Expresslogistik bis zum Jahr 2021 auf 4,15 Milliarden erhöhen. Das ist ein Plus von mehr als 30 Prozent. Daran beteiligt ist auch die steigende Nachfrage nach E-Food. So nahm der E-Commerce-Anteil bei Lebensmitteln nach Angaben des Handelsverbands Deutschland (HDE) im vergangenen Jahr um rund 21 Prozent zu, allerdings auf Basis eines niedrigen Niveaus.

Weiter zugespitzt wird die Lage auf den Straßen durch das Angebot, die Waren noch am Bestelltag auszuliefern. Im Food-Bereich beispielsweise offerieren dies bereits Amazon, die DHL Tochter Allyouneed oder Tiramizoo, an der der Paketdienstleister DPD beteiligt ist. Die knappen Zeitfenster führen nach Ansicht von Branchenexperten zu einer höheren Tourenzahl bei geringerer Auslastung der Einzeltouren und damit verstärkt zu einer erhöhten Verkehrsdichte.

Kleinere Mengen gefragt

Dazu kommt aber auch die gesteigerte Lieferfrequenz im Lebensmittel-Einzelhandel. Denn mehr Frische in den Regalen und auch kleinere Mengen für häufig einkaufende bequeme Kunden sowie das Vermeiden von Out-of-Stock-Situationen bedeuten das öftere Anfahren der einzelnen Verkaufsstellen, wie es auch bei C-Stores der Fall ist. In der Folge sind die Auswirkungen des Lieferverkehrs vor allem in den Großstädten und Metropolen erheblich. Die damit einhergehende Schadstoffbelastung führt nun dazu, dass die Europäische Kommission angekündigt hat, die Bundesrepublik Deutschland zu verklagen.

Zwei Untersuchungen machen dazu deutlich, wie die Verhältnisse in den urbanen Zentren sind. So hat die Unternehmensberatung PwC festgestellt, dass 20 bis 30 Prozent des Stadtverkehrs auf die Güterzustellung entfällt. Gleichzeitig verursachen die größeren und kleineren Transporter aber etwa 80 Prozent des innerstädtischen Staus in Stoßzeiten. Parallel können die Verkehrsforscher der Bergischen Universität Wuppertal dazu Ergebnisse vorlegen. So hat Professor Bert Leerkamp errechnet, dass ein Güterfahrzeug durchschnittlich bei einer Stadtfahrt 2,58 Kilometer pro Stunde zurücklegt. Mögliche Lösung: Nachtlogistik. Die Probleme müssen jedenfalls angepackt werden.

Das meint auch die Rewe-Logistikerin Heitzer: „Wir müssen dringend heute nach Lösungen suchen, wie wir in fünf oder zehn Jahren Ware in die Märkte bekommen“, erklärt sie. Entsprechend ist die Rewe Group aktiv geworden. Im vergangenen Jahr erprobte der Handelskonzern in Köln und Dortmund mit seinem Forschungsprojekt GeNaLog die Möglichkeit, seine Läden über Nacht mit Ware zu beliefern. Der Vorteil: Zu dieser Uhrzeit sind die Straßen leer.

Aber auch Nachteile traten klar hervor. So muss das Fahren und Ausladen geräuscharm erfolgen, damit Anwohner in ihrer Nachtruhe nicht gestört werden. In diesem Punkt bekam Heitzer jedoch positive Rückmeldung: „Was auf den ersten Blick unversöhnlich scheint, passt doch zusammen, wie wir im Rahmen unseres Projektes gesehen haben. An allen drei Teststandorten im Kölner Stadtgebiet lagen wir unter den gesetzlichen Geräusch- und Emissionsvorgaben“, zieht sie Bilanz. Das Projekt GeNaLog habe gezeigt, dass es möglich ist, die Interessen der Anwohner mit denen der Lebensmittel-Logistik bei der Nachtzustellung in Einklang zu bringen. Heitzer fordert allerdings für eine Umsetzung solcher Pläne Rechtssicherheit und damit erneut die Politik heraus: „Es muss zu einheitlichen Regelungen kommen, die über die jeweilige Stadt oder Kommune hinaus Gültigkeit haben.“ Ohne diese werde die Nachtlogistik niemals ihr volles Potenzial ausspielen. Zumal auch betriebswirtschaftlich noch nicht feststehe, wie viel Mehrkosten die Belieferung in der Nacht mit sich bringe. Kostenfaktoren könnten höhere Investitionen in die Technik, Veränderung von Abläufen in den Lagern oder Aufwendungen für eine spätere Warenannahme sein. Auch bauliche Veränderungen seien teils notwendig.


Drogeriemärkte arbeiten an dem Problem

Auch bei den Drogeriemarktketten scheint man daran zu arbeiten, für die Zustellung möglichst verkehrsarme Zeiten zu nutzen. Rossmann beklagt sich allerdings darüber, dass eng gefasste Lieferzeiträume die Anlieferung der Ware in die Innenstädte erschwere. Grund dafür sei, dass ein hohes Lkw-Aufkommen innerhalb dieser Zeiträume häufig zu Blockierungen führe.

Für dm beschreibt Michael Sternbeck, der die Drogerie-Filialbelieferung verantwortet, zwar nicht genauer, wie man dagegen vorgeht, erläutert aber gegenüber dem Fachmagazin Lebensmittel Praxis: „Wir arbeiten an einer weitgehenden Integration der innerstädtischen Situationen in unsere Logistikplanung.“ Dazu gehöre auch eine Anpassung der Liefertage, sodass man mit guter Auslastung möglichst die Anzahl der Fahrten reduzieren werde. Die Nachtlogistik beziehungsweise die Verschiebung in verkehrsarme Zeiten könnte also für die Versorgung stationärer Läden eine gangbare Alternative sein.

Eine Möglichkeit zur Umweltentlastung bieten natürlich auch E-Transporter. Deren Einsatz in der Logistik sehen Experten allerdings weiterhin skeptisch. Die Batterie für einen Elektro-Lastwagen sei sehr teuer, wiege mehrere Tonnen, brauche viel Platz und bedeute für Speditionen und Logistiker selbst beim Aufbau eines großen Schnellladenetzes lange Stehzeiten, erklärte Bernd Heid von der Unternehmensberatung McKinsey. Reto Leutenegger vom Schweizer Elektro-Lkw-Hersteller Eforce One, meint, es sei fast nicht möglich, E-Lkw wirtschaftlich zu betreiben. Der Strom sei teuer, die Batterie allein koste 200.000 Euro, und der bürokratische Aufwand für staatliche Zuschüsse sei hoch. Kunden, die den elektrischen 18-Tonner von Eforce zur Belieferung von Supermärkten einsetzten, hätten sich auch über zu wenig Nutzlast beklagt. Für Unternehmensberater Heid und den Mercedes-Benz-Lkw-Chef Stefan Buchner ist langfristig der Wasserstoffantrieb eine Alternative. Ein Netz von tausend Wasserstoff-Tankstellen würde reichen. Der Aufbau solcher Infrastruktur würde eine Milliarde Euro kosten. Bis dahin gäbe es aber keine Alternative zum Dieselmotor.

E-Mobilität ist noch keine Lösung

Die Deutsche Post DHL hat bisher immerhin ihre kleineren Streetscooter vorzuweisen, die sie auch selber einsetzt. An der Entwicklung und Weiterentwicklung des E-Transporters sind die Bonner über eine Tochtergesellschaft beteiligt. Für den Vertrieb der Streetscooter ist die Deutsche Post DHL jetzt eine Kooperation mit den Ford-Transit-Centern eingegangenen. Die Center übernehmen in Deutschland den Verkauf und Service für die am Markt verfügbaren Streetscooter. Kann die Deutsche Post auf eigene E-Fahrzeuge zurückgreifen, sind andere Logistiker beziehungsweise Händler auf die Angebotspalette weniger einschlägiger Hersteller angewiesen.

„Bei unserem Test mit einem E-Truck in Köln haben wir feststellen müssen, dass auf Seiten der Industrie noch Optimierungsbedarf vorhanden ist“, meint dm-Logistik-Manager Sternbeck. Es gebe sowohl ökologisch als auch ökonomisch noch einiges zu tun, bevor die Produkte in Serie gehen könnten. Ein Bedarf sei jedenfalls vorhanden. Christian Bodi, Logistik-Geschäftsführer bei dm, wird noch deutlicher. Er verweist darauf, dass die Investitionen in einen E-Truck mehr als doppelt so hoch seien, wie für einen Diesel-Lkw.

Ähnlich wird die Lage beim Wettbewerber Rossmann eingeschätzt: „Innovationen im Bereich der Mobilität wie Lkw mit Elektro- oder Gas-Antrieb ziehen wir langfristig in Erwägung“, teilt das Unternehmen aus Burgwedel mit. Doch zum jetzigen Zeitpunkt sieht das Fazit noch wenig positiv aus. Der Drogeriemarkt-Betreiber hat bisher noch keine Lösungen für umweltfreundliche Antriebe gefunden, „die unsere Anforderungen abdecken“.

 

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