Interview Große Partner für kleine Flächen

Außen ServiceStore DB, innen Valora: Am Essener Hauptbahnhof haben die Leiterin der ServiceStores, Martina Köppl, und Roger Knill, Leiter Business Unit Convenience bei Valora, im Gespräch mit Convenience Shop erläutert, wie das in der Praxis zusammenpasst.

Montag, 05. März 2018 - Bahnhof und Flughafen
Ulrike Pütthoff
Quelle: Service-Store DB

ServiceStore DB wurde 1998 für einzelne Franchise-Nehmer gegründet. Mittlerweile liest sich Ihre Mitgliederliste wie das Who`s Who der Convenience-Branche. Hat ein Wandel stattgefunden?

Martina Köppl: Ja. Die Ursprungs-idee war, mit dem Franchise-Konzept in kleineren Bahnhöfen präsent zu sein und dort auch Fahrkarten zu verkaufen. Als vor sechs Jahren Lekkerland seine Retail-Tochter Convenience Concept an Valora verkaufte, bekamen wir mit den Hamburgern einen neuen Master-Franchise-Partner und haben das System Ende 2015 für andere geöffnet. 2016 konnten wir Casualfood als neuen Partner gewinnen und im vergangenen Jahr die Dr. Eckert Unternehmensgruppe sowie die Hamburger Bahnhofs-Betriebe HBB.

Soweit zur gesellschaftsrechtlichen Zusammenarbeit. Gib es auch im operativen Geschäft bzw. den Stores Veränderungen?

Köppl: Das System ist jetzt freier zu gestalten und mit einem starken Franchise-Partner können wir professioneller auftreten. Die strategische Neuausrichtung beinhaltet unter anderem die Möglichkeit zur Expansion in alle Bahnhofskategorien, also auch Hauptbahnhöfe.

Können Sie Ihre Strategie ganz ohne Blessuren umsetzen?

Köppl: Natürlich haben wir unser Portfolio bereinigen müssen und uns von Standorten getrennt, die nicht so gut performt haben. Jetzt stehen die Zeichen auf Wachstum. Bis 2020/21 wollen wir 250 Standorte realisiert haben. Daran arbeiten wir zum Beispiel mit Valora.

Welche Rolle übernimmt Valora in dieser Partnerschaft?

Roger Knill: Valora arbeitet über die Bahnhofs-Buchhandlungen schon lange mit der Bahn zusammen. Neu ist, dass wir über den ServiceStore jetzt auch unser Knowhow aus dem kleinflächigen Einzelhandel einbringen. Valora hatte mit Convenience Concept ein sehr großhandelsgetriebenes Konstrukt übernommen. In diesem werden die Franchise-Betriebe eher als Vertriebslinie gesehen, mit der man den Einkauf bündelt und der Industrie eine Plattform für ihre Vertriebsmaßnahmen zur Verfügung stellt. Wir haben dann den Kundengedanken stärker reingebracht und die vier Strategien Product, Place, Price und Promotion gemeinsam vereinheitlicht. Ich glaube, darüber war die Bahn ganz glücklich. Zusammen haben wir einen Piloten entwickelt und mittlerweile eröffnet.

Mehr oder weniger war jeder von Ihnen aber auch allein erfolgreich? Warum brauchen Sie jetzt einander?

Knill: Aus Sicht von Valora kann ich sagen, dass unser Geschäft an Verkehrsknotenpunkten stattfindet und der Bahnhof – auch U- und S-Bahnhof – ein prädestinierter Standort ist und bleibt. Ohne DB würde dieses Geschäft keinen Sinn machen, zumal wir in der vergangenen Zeit auch viel in den Fahrkartenverkauf investiert haben. Es gibt immer noch viele Kunden, die diese Dienstleitung mit Beratung und Kauf schätzen, auch wenn alle ein mobiles Endgerät in der Tasche haben. Und für uns ist dieses Geschäft auch ein Frequenzbringer.

Köppl: Fahrkarten sind unser Metier und ohne uns wäre das Angebot in einem typischen C-Store von Valora nicht denkbar. Andererseits nehmen gerade diese Kunden oft noch Zigaretten, Brötchen, Kaffee oder Zeitungen mit. So können wir gemeinsam an einem Ort mehrere Bedürfnisse befriedigen.


Die Shops firmieren unter ServiceStore DB. Wäre auch ein Co-Branding denkbar?

Köppl: Das ist denkbar, aber eng definiert. Die Marke ServiceStore muss dabei im Mittelpunkt bleiben. Am Frankfurter Flughafen lassen wir mit Casualfood ein weiteres Label zu, dort heißt es dann „ServiceStore DB powerd by Casualfood“. So nutzen wir die bekannten Marken unserer Partner.

Gib es dabei keinen Interessenkonflikt?

Köppl: Natürlich gehen die Interessen von DB und Valora gelegentlich auseinander. Die Bahn ist quasi diejenige, die die Theorie abdeckt. Darum ist es wichtig, dass der Partner bzw. Franchise-Nehmer den operativen Betrieb im Auge behält. Schlussendlich ziehen wir an einem Strang, mit Fokus auf den Kunden.

Wer ist für die Shop-Gestaltung zuständig?

Köppl: Das ist eine Zusammenarbeit. Als Systemgeber verantworten wir die Weiterentwicklung der Shop-Gestaltung, an der aber die Franchisepartner beteiligt werden. Der Store im Essener Hauptbahnhof ist auf Basis des neu entwickelten Ladenbaukonzepts entstanden, das nun multipliziert wird

Knill: Der Rollout findet sukzessive statt. Wir sind jetzt dabei, auch bestehende Standorte umzubauen. Natürlich werden wir auch gemeinsam überlegen, an welcher Stelle das eine oder andere zu optimieren ist.

Wie weit gehen Sie gemeinsam in die Sortimentsplanung?

Köppl: Vertraglich haben wir festgelegt, welche Kernsortimente bzw. -bereiche ein Muss sind, um auch den Wiedererkennungswert zu gewährleisten. Zum Beispiel soll es in jedem ServiceStore DB ein Kaffee-Angebot geben, ganz neutral gelabelt, dafür müssen Filterkaffee und Kaffeespezialitäten im Programm sein, die den Ansprüchen der Kunden entsprechen, also auch Fairtrade-Produkte. Wir schreiben die Kaffeemarke also nicht vor, sondern lediglich die zu verwendende Qualität. Unser neu eingeführter Mehrwegbecher ist übrigens ein guter Ansatz dafür, dass wir nicht nur die Foodkompetenz weiterentwickeln wollen, sondern das System insgesamt. Wir haben auch den Zahlungsmöglichkeiten und FreeWifi gearbeitet.

Knill: Nun liegt es in unserem Ermessen, wie wir als Betreiber den vorgegebenen Rahmen ausschmücken. Valora bietet zum Beispiel seinen Café Spettacolo an, aber die Marke ist für den Kunden nicht sichtbar. Diesen Spielraum haben wir auch in anderen Bereichen, wo wir ein Stück weit frei agieren, eventuell auch selbst entwickeln können. Das Interessante ist: Jeder kann seine Stärken einbringen.

Welche Sortimente stehen bei Ihnen denn im Fokus?

Knill: Unser erklärtes Ziel und auch das von Frau Köppl ist, den Foodanteil zu erhöhen. Als wir 2012 über eine Neuausrichtung aller ServiceStores nachdachten, lagen Food bei 33 und Tabakwaren bei 60 Prozent. Heute hat der Foodanteil von 47 Prozent den Tabakwarenanteil von 46 Prozent schon überholt. Zigaretten und Co. sind zwar sukzessive rückläufig, aber gerade in einem C-Store brauchen wir sie als Frequenzbringer. Welche Sortimente darüber hinaus sinnvoll sind, entnehmen wir den Unterlagen zur Flächenproduktivität und Umschlagshäufigkeit. Vor diesen Hintergründen haben Presseerzeugnisse noch ihre Berechtigung.


Welche Rolle wird künftig der Fahrkartenverkauf im ServiceStore spielen. Weichen Sie hier am Hauptbahnhof vom Ursprungs-Konzept ab?

Köppl: Wir analysieren jeden Standort danach, ob dafür Bedarf besteht, aber wir machen uns intern keinen Wettbewerb. Das wäre hier in Essen der Fall, denn gegenüber existiert eine eigene Fahrkartenausgabe. Es gibt allerdings Standorte, wo sich DB Vertrieb zurückziehen möchte oder aus wirtschaftlichen Gründen muss. Da bietet es sich an, dass der Store den Verkauf übernimmt.

Aber sicher nur mit einem begrenzten Angebot. Das macht man nicht nebenbei?

Knill: In vielen Stores decken wir derzeit noch nur den Regionalverkehr ab. Aber wir gehen immer mehr zum gesamten Bahnangebot über. Dazu gehören Tickets für den Nah- und Fernverkehr und Angebote wie z. B. Monatskarten oder auch der BahnCard-Verkauf. Das ist sehr anspruchsvoll, aber auch ein Alleinstellungsmerkmal des Konzepts.

Das heißt, die Mitarbeiter müssen sich auch im Dschungel der Tarife und Service-Leistungen auskennen?

Knill: Das ist richtig. Sie tragen da eine gewisse Verantwortung. Schließlich nimmt der Kunde sie als Deutsche Bahn-Mitarbeiter wahr, die auf Fragen und Wünsche adäquat reagieren müssen und auskunftsbereit sind.

Wie können Sie darüber die Kontrolle behalten?

Köppl: Ein probates Mittel sind die so genannten Meinungskarten, die in den Shops ausliegen. Da kann jeder Kunde uns seine Reklamationen, Tadel und Anregungen mitteilen. Die nehmen wir sehr ernst und werten sie aus. Diese Ergebnisse bekommen sowohl Valora als auch die Shop-Mitarbeiter mitgeteilt. Den Kunden geben wir in wenigen Tagen ein Feedback. Außerdem machen wir vierteljährlich einen Store-Check, bestehend aus 260 Prüfkriterien. Auftretende Mängel müssen umgehend behoben werden.

Wie wollen Sie die Zusammenarbeit künftig festigen?

Köppl: Wir wollen gemeinsam expandieren, natürlich auch mit den anderen Partnern. Aber Valora ist unser expansivster Partner. Deutschlandweit erreichen wir mit unseren insgesamt 135 Stores derzeit täglich ca. 45.000 Kunden. Pro Jahr sind das rund 16 Mio. In diesem Jahr nehmen wir uns zehn Vollumbauten und neue Standorte vor.

Rüstet Valora auch andere Formate auf ServiceStore DB um?

Knill: Dort wo es Sinn macht, ja. Aktuell haben wir einen P&B-Laden aus dem ein ServiceStore wird. Also vom klassischen Pressegeschäft hin zum modernen Familienstore. Das alles machen wir aber sehr behutsam, schließlich wollen wir den Status als großer Bahnhofs-Buchhändler erhalten. Aber wenn an einem bestimmten Standort der Presse- und Buchumsatz schrumpft – etwa, weil sich das Umfeld geändert hat – dann sind wir auf keinem Fall des Totengräber des Bahnhof-Buchhandels.

Köppl: Unsere Philosophie lässt aber auch zu, einen ServiceStore mit Bahnhofsbuchhandel-Status zu betreiben. Es ist besonders spannen, diese beiden Branchen auf einer Fläche zusammenzubringen. Aber es ist kein Angriff auf den Bahnhofsbuchhandel.

Knill: Die Kunden trinken inzwischen fast überall einen Kaffee. Warum sollten sie diesen gerade nicht im Bahnhofsbuchhandel bekommen?

Valora ist Franchisenehmer bei ServiceStore DB und gleichzeitig auch Franchisegeber des Konzepts. Wie geht das?

Knill: Wir forcieren Subfranchise und peilen die Marke von 90 Prozent an. Aber die umgebauten Standorte müssen erst laufen, dann geben wir sie an einen unserer Franchise-Nehmer ab. Wir übernehmen quasi das Anfangsrisiko. Und diese Zeit lassen die mit DB geschlossenen Verträge auch zu. Sie laufen über zehn Jahre.

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Bild öffnen Martina Köppl, Leiterin ServiceStore DB
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Bild öffnen Vertraglich sind für den Bistro-Bereich im ServiceStore DB zum Beispiel die Qualitäten vorgegeben. Eine übergreifende Marke gibt es aber nicht.