Tabakwaren Jugendschutz keine Einbahnstraße

Kinder und Jugendliche sollen nicht rauchen! Wenn der Staat an dieser Stelle genau hinguckt, finden das Händler und Hersteller völlig o.k. – und unterstützen aktiv.

Samstag, 31. Dezember 2016 - Tabak
Thomas Klaus
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Wer Tabakwaren herstellt oder mit ihnen handelt, der kann das Wort „Restriktionen“ auch im Schlaf singen. Zu den jüngsten Beispielen für staatliche Eingriffe in den Markt zählen die so genannten Schock-Bilder auf den Zigarettenpackungen, das neue Meldeverfahren für Inhaltsstoffe und das System zur Rückverfolgbarkeit von Tabakprodukten, das ab 2019 zur Pflicht werden soll.

In der Praxis wurden manche Unternehmen und Marken von den Restriktionen in die Knie gezwungen. Aber den Geschmack an Zigaretten, Zigarillos, Zigarren und Tabak haben die Konsumentinnen und Konsumenten trotzdem nicht verloren. Das belegen die aktuellen Absatzzahlen.

Doch in einem Fall kann die Tabakwaren-Branche Einschränkungen des Marktes durchaus viel abgewinnen – nämlich dann, wenn es um den Schutz von Kindern und Jugendlichen geht.

Die Position des Deutschen Zigarettenverbandes (DZV) sei glasklar, versichert sein Geschäftsführer Jan Mücke. Er sagt: „Wir wollen auf keinen Fall, dass Kinder und Jugendliche rauchen.“ Denn die Entscheidung für oder gegen den Tabakgenuss solle ausschließlich von informierten Erwachsenen getroffen werden, die sich der gesundheitlichen Risiken bewusst seien. Deshalb sähen der DZV und seine Mitgliedsfirmen im § 10 des Jugendschutzgesetzes – er verbietet die Abgabe und den Konsum von Tabakwaren für Personen unter 18 Jahren – keine Hürde, die besser beseitigt werden sollte, sondern eine Unterstützung. Mücke zufolge halten die DZV-Mitgliedsfirmen ihre Handelspartner dazu an, dass die Jugendschutz-Regelungen durch konsequente Ausweiskontrollen bei jungen Kunden strikt eingehalten werden.

Selbst Jugend-Slang ist nicht erlaubt

Mindestens genauso wichtig ist der Werbekodex des Verbandes, an den sich seine Mitglieder halten müssen. Er erklärt jede Marketingaktivität und Werbeform, die sich gezielt an Kinder und Jugendliche wendet oder von der sich Nicht-Erwachsene angesprochen fühlen könnten, für unzulässig. Zum Beispiel darf im direkten Umfeld von Schulen und Jugendzentren nicht auf Außenplakaten geworben werben. Auf Marketingaktivitäten in oder an Sportstätten sowie auf das Sponsoring öffentlicher Sportveranstaltungen wird verzichtet.

Es dürfen keine Models eingesetzt werden, die jünger als 30 Jahre sind oder so aussehen. Das Verteilen von Werbemitteln, die für Kinder und Jugendliche attraktiv sind, ist nicht gestattet; gemeint sind vor allem Luftballons und Fähnchen. Und: Äußerungen aus dem typischen Wortschatz von Kindern und Jugendlichen sind innerhalb der Werbung ein Tabu.


Weniger als 8 Prozent der Minderjährigen rauchen

Insgesamt listet der Werbekodex des Deutschen Zigarettenverbandes 17 Punkte auf, die dem Jugendschutz dienen sollen. Bei Verstößen kann ein Schiedsgericht einberufen werden. Zu dessen Sanktionsmöglichkeiten gehören bei vorsätzlichen oder grob fahrlässigen Verstößen Bußgelder in Höhe von bis zu 150.000 Euro.

Beim Jugendschutz nimmt der DZV über den Werbekodex hinaus das Heft in die Hand. Die jüngste Kampagne „Rauchen nur ab 18!“ will Kunden und Mitarbeiter des Einzelhandels sensibilisieren. In ihrem Rahmen wurden bisher 600.000 Sticker, 250.000 Broschüren und mehrere hundert DVDs versandt. Aufkleber mit dem Text „Rauchen nur ab 18“ an Tür oder Fenster sollen Minderjährige vom Kaufversuch abhalten und die Bedeutung des Jugendschutzes dokumentieren. Nebenbei bemerkt: Nach den Erfahrungen des Verbandes wissen erwachsene Kunden eine solche Gewissenhaftigkeit von Händlern gegenüber Kindern und Jugendlichen sehr zu schätzen; sie ist also gut für das Image jedes einzelnen Geschäftes oder Verkaufsstores.

Dennoch sind laut Mücke in diesem Jahr drei Beschwerden im Hinblick auf eine mögliche Verletzung des DZV-Werbekodex bearbeitet worden. In einem Fall handelte es sich um Plakatwerbung für E-Zigaretten in der Nähe einer Schule in Nordrhein-Westfalen, der Hersteller ist nicht Mitglied des DZV und bisher nicht an die Regelungen des Werbekodex gebunden. Aus diesem Grund konnte diese Beschwerde vom DZV nicht bearbeitet werden. Er würde es aber ausdrücklich begrüßen, wenn der Werbekodex künftig auch in diesem Bereich Anwendung finden würde.

In einem zweiten Verfahren wurde die Plakatwerbung eines DZV-Mitgliedsunternehmens in der weiteren Umgebung einer Schule in Nordrhein-Westfalen kritisiert. Eine genaue Überprüfung des Standorts und des Motivs hat jedoch ergeben, dass der Mindestabstand zum Schulgebäude eingehalten wurde (sogar dreifacher Mindestabstand) und das Werbemotiv allen Anforderungen des Werbekodex entspricht.

Das dritte Verfahren bezog sich auf Plakatwerbung eines DZV-Mitgliedsunternehmens an einer Bushaltestelle und einer Litfaßsäule im Eingangsbereich einer freien Bildungseinrichtung in Baden-Württemberg. Das betreffende Gebäude wurde vorher als Verwaltungsgebäude genutzt, der entsprechende Jugendschutz-Sperrvermerk des Außenwerbeunternehmens vor Ort war in diesem Fall noch nicht den neuen Nutzungsgegebenheiten angepasst worden. Das DZV-Mitgliedsunternehmen ist unmittelbar nach Aufforderung zur Stellungnahme zu dieser Beschwerde tätig geworden. Noch am selben Tag ist die Plakatwerbung durch den Dienstleister vor Ort überklebt worden. Außerdem hat sich das Unternehmen umgehend beim Beschwerdeführer schriftlich entschuldigt und den Fehler des Dienstleisters vor Ort bedauert. Das Verfahren konnte damit nach Beseitigung des Fehlers eingestellt werden.

DZV kein einsamer Kämpfer in der Wüste

Zusätzliche Jugendschutz-Maßnahmen des DZV mit Schwerpunkt auf Online-Kanälen sind in der Pipeline. Außerdem verfehlt der Abschreckungs-Kurs des DZV und anderer Akteure verfehlt seine Wirkung nicht: 2001 haben nach Angaben der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BzgA) noch fast 28 Prozent der Minderjährigen geraucht. Mittlerweile sind es 7,8 Prozent. Zugleich stieg die Quote der Jugendlichen, die noch nie geraucht haben, auf annähernd 80 Prozent.

Übrigens: Die Bundesrepublik verzeichnete seit 2001 einen stärkeren Rückgang der Raucherprävalenz unter Jugendlichen als zahlreiche andere EU-Mitgliedsstaaten, die schon vor Jahren die Tabakwerbung komplett verboten haben. Jugendschutz ist auch anderen Akteuren ein Anliegen. So setzen sich für das Einhalten des Jugendschutzes neben dem Deutschen Zigarettenverband weitere Interessenvertretungen der Tabakwirtschaft ein. Der Bundesverband des Tabakwareneinzelhandels (BTWE) unterstützt beispielsweise die Kampagne „Jugendschutz: Wir halten uns daran“ des Bundesfamilienministeriums. Und der Verband der Deutschen Rauchtabakindustrie (VDR) klärt seine Mitglieder regelmäßig über die Notwendigkeit eines Mindestabgabe- und Mindestkonsumalters von 18 Jahren auf.

Außerdem setzen einzelne Unternehmen im Jugendschutz-Bereich ihre eigenen Akzente. Bei Philipp Morris International (PMI) zum Beispiel wird auf die finanzielle Unterstützung für Projekte im schulischen Sektor verwiesen. Ferner wurden Trainings und Programme in Sachen „Lebenskompetenz“ gefördert, die unter der Schirmherrschaft der Friedrich-Schiller-Universität in Jena und der Stiftung Bildungspakt Bayern standen.

British American Tobacco in Deutschland (BAT) startete 2009 eine aufwändige Kampagne „Jugendschutz einhalten – Verantwortung zeigen“ mit dem Handel als Zielgruppe. Für BAT beginnt die Einhaltung des Jugendschutzes mit der Kommunikation der Produkte. Beispielsweise spart das Unternehmen in Deutschland die Kinowerbung vollkommen aus und geht damit nach eigener Darstellung deutlich über die geltenden gesetzlichen Bestimmungen hinaus.

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