Tabakwaren Der Big Bang naht

Auf den ersten Blick scheint der Duft der großen weiten Welt zu verfliegen, denn die Tabakproduktrichtlinie ist gesetzlich endgültig besiegelt. Aber deshalb muss man nicht gleich in die Luft gehen. Maßnahmen werden bereits ergriffen und Markenwelten verschieben sich.

Freitag, 01. April 2016 - Tabak
Ulrike Pütthoff
Artikelbild Der Big Bang naht
Bildquelle: Shutterstock, DTV, DZV

Es soll ein Punkt gewesen sein, der alle Planungen – auch die der Investitionen – zur fristgerechten Umsetzung der Tabakprodukt-Richtlinie (TPD 2) durcheinander gebracht hat. Und selbst wenn es kein Punkt gewesen ist, bleibt die Rechtsunsicherheit. Erst seit dem 18. März ist alles in trockenen Tüchern. Da hatte der Bundesrat endgültig über die Umsetzung der TPD 2 in nationales Recht entschieden. Zuvor hätte sich rein theoretisch immer noch etwas ändern können, wie Mitte Februar, als die EU-Kommission noch einmal neue Druckvorgaben erließ.

Nur wer hinter die Kulissen der Produktionsstätten für Zigaretten und Co. schauen kann, wird sich des Ausmaßes jeglicher Änderungen bewusst: „Kostenintensive Investitionen können von der Wirtschaft erst nach Rechtssicherheit verlangt werden, die nach Abstimmung im Bundesrat eintritt. Die wenigen Tage bis zum 20. Mai gleichen allein schon aus Kapazitätsgründen der hochspezialisierten, mittelständi‧schen Zulieferer einer Mission Impossible“, sagte Christian Cordes, Director Corporate Affairs bei Reemtsma, als der Bundestag eine Fristverlängerung für die Umsetzung Ende Februar ablehnte. Das jedenfalls zieht bei allen Tabakwaren-Produ‧zenten intern und extern Kreise.

Unter anderem meldete sich der Betriebsratsvorsitzende des mittelständigen Tabak- und Zigarettenhersteller Heintz van Landewyck, Andreas Clemens, zu Wort: „Bis zuletzt haben wir auf den gesunden Menschenverstand unserer Politiker vertraut, eine Gesetzgebung zu gewährleisten, die es allen Marktteilnehmern ermöglicht, ihre Produktionen dergestalt anzupassen, das es zu keinen Marktverwerfungen zu Gunsten der Großkonzerne kommt.“

Auch könnte der Pro‧duk‧ti‧ons‧stand‧ort Deutschland geschwächt werden, weil in anderen Ländern, etwa in Polen und Rumänien, eine Verlängerung der Umstellung über den 20. Mai hinaus gewährleistet wird. Andererseits sind technische Veränderungen in der Kürze der Zeit nicht machbar, auch weil – wie erwähnt – die Bauer der Produktionsanlagen rar gesät sind.

Aus Regierungskreisen oder seitens der Öffentlichkeit wurde in den vergangenen Monaten immer kolportiert, dass alles nur vorgeschoben sei. Doch das sind Vorurteile, die aus Unwissenheit heraus entstehen. Beispiel: Für den Druck auf einer Zigarettenschachtel müssen sieben Zylinder graviert werden. Es kann dann teuer werden, wenn die EU ein Warnhinweis, wie im Februar geschehen, noch einmal korrigiert. Der eingangs erwähnte Punkt hätte sich nicht einfach von der Walze wegradieren lassen. Und um die Dimension solcher Fehlinvestitionen erfassen zu können: Allein die mittelständische Zigarrenindustrie muss für bis zu 3.000 Verpackungen die Warnhinweise anpassen.

Landewyck-Geschäftsführer Hajo Fischer hat jedenfalls kein Verständnis für die Aussagen aus der Politik, die sich gegen die Zwänge und Möglichkeiten des in Deutschland ansässigen Mittelstandes richteten. Das ginge sogar soweit, das es „hinnehmbar sei, wenn kleinere Hersteller darüber pleitegingen, unter dem Gesichtspunkt, dass die Großen und die Kleinen mit Gift handeln“ (Zitat aus Regierungskreisen). Mit solchen Einstellungen werde der Marktbereinigung und Marktkonzentration in Deutschland massiv Vorschub geleistet. Das habe auch mit Verbraucherschutz nichts zu tun. 

Fakt ist: Wenn die Tabakwaren-Hersteller die Umstellung bis zum 20. Mai nicht schaffen, dann könnte das durchaus zu Produktionsausfällen führen. Denn mit dem Stichtag darf kein Produkt ohne Schockbild und Warnhinweis mehr das Band verlassen bzw. in Deutschland in Umlauf gebracht werden.

Vorproduzieren war aber ebenfalls keine Alternative, auch wenn die Ware noch bis ins Jahr 2017 abverkauft werden darf, sagen die Unternehmen. Tabakwaren seien ein Frischeprodukt und würden an Qualität verlieren. Außerdem könnte es durchaus zu Kapazitäts- und Lagerengpässen kommen.

Trotzdem haben die Hersteller bereits einen Teil ihrer Hausaufgaben gemacht und ihr Portfolio durchforstet. Das Ergebnis ist unterschiedlich. Die einen verabschieden sich von Marken, vor allem von jenen, die (noch) in kleinen Mengen produziert werden und nicht mehr wettbewerbsrelevant sind. Die anderen fügen Markenfamilien zusammen und wiederum andere erweitern ihr Angebot. 

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