Valora Schweizer Know-how und deutsche Präzision

Peter Obeldobel reist immer mit einem Stapel Zeitschriften im Gepäck. Und beim Tankstellenbesuch gönnt er sich gern was Süßes. Dabei taucht der Deutschland-Chef von Valora in den Shop-Alltag ein und hat ein Auge darauf, was sich vor Ort abspielt.

Donnerstag, 31. März 2016 - Bahnhof und Flughafen
Ulrike Pütthoff
Artikelbild Schweizer Know-how und deutsche Präzision
Bildquelle: Valora

Vom Luxusgut zum Grundbedarf könnte man Ihren Wechsel von einem Juwelier zu Valora im vergangenen Jahr überschreiben. Haben Ihre vorherigen Stationen und das Kiosk-Geschäft überhaupt etwas gemeinsam?

Peter Obeldobel: Ja, auf jeden Fall. Im Handel geht es immer darum, die Bedürfnisse der Kunden zu wecken, sie zu begeistern und ihre Erwartungen zu übertreffen. Wesentlicher Unterschied ist aber die Geschwindigkeit. Die Verweildauer der Kunden am POS und der durchschnittliche Einkaufswert sind deutlich geringer, dafür sind die Wiederbesuchsraten vergleichsweise hoch.

War es für Sie eine große Umstellung, sich auf geringe Margen einzustellen?

Obeldobel: Nein, überhaupt nicht.

Shopbetreiber haben gerade einmal 1,5 Sekunden Zeit, die Kunden auf den Kiosk oder C-Store aufmerksam zu machen.

Obeldobel: Ja, das ist die Ausgangssituation für Geschäfte in Hochfrequenzlagen. Es muss gelingen, den Kunden zum Betreten des Geschäfts zu animieren. Unsere Aufgabe ist es daher, im Außenbereich durch klare und kundenorientierte Kommunikation Aufmerksamkeit zu schaffen und das Interesse der Endverbraucher am Angebot zu wecken. Gelingt es uns, einen Endverbraucher zum Betreten unserer Stores zu bewegen, müssen wir der Erwartungshaltung nicht nur gerecht werden, sondern diese übertreffen. Denn nur begeisterte Kunden besuchen uns wieder oder empfehlen uns weiter.

Haben Sie Kioske vor dem Einstieg bei Valora überhaupt wahrgenommen bzw. angesteuert?

Obeldobel: Auf jeden Fall. Wenn ich auf Reisen gehe, besorge ich mir am Kiosk oder in einem Presseshop einen Stapel Zeitschriften, manchmal auch einen Kaffee oder Snack. Und einen Tankstellenshop verlasse ich selten ohne Süßes. Wenn ich heute einen Shop betrete, sehe ich ihn natürlich auch aus einem anderen Blickwinkel und schaue, was es Neues gibt bzw. was die Wettbewerber machen.

Der gute alte Kiosk wird von modernen Konzeptenabgelöst. Bröckelt sein Image als vertrauter Kiez-Treff?

Obeldobel: Sich unterwegs zu versorgen ist Teil des mobilen Lifestyles geworden. Dieser Lifestyle ist definitiv am Kiosk angekommen. Gefragt sind ein attraktives, emotionales Einkaufserlebnis und ein hohes Maß an Service. Der Kiosk der Zukunft hat vielleicht einen anderen Namen und ein modernes, zeitgemäßes Ambiente. Aus unserer Sicht ist er aber weiterhin ein verlässlicher „Anker“ für die mobilen Menschen auf ihrem täglichen Weg.

Viele internationale Lebensmittel-Händler sind auf dem deutschen Markt gescheitert. Was hat Valora richtig gemacht, um seit fast 20 Jahren hier zu Lande zu überleben?

Obeldobel: Valora hat ein extrem hohes Know-how in den Bereichen Tabak, Presse und Sofort-Verzehr. Mit dieser Kompetenz haben wir auch in Deutschland viel erreicht und ein relevantes Angebot entwickelt. Dass Konzepte auf die Bedürfnisse des deutschen Marktes angepasst oder speziell für diesen entwickelt werden müssen, ist allen im Konzern bewusst und ein wichtiger Schlüssel für den Erfolg.


Wo liegen die Stärken von Valora in Deutschland?

Obeldobel: Durch den Erwerb von Ditsch haben wir uns im Bereich Sofortverzehr her-ausragende Food-Kompetenz ins Haus geholt. Die Brezelbäckerei ist zwar eine eigene Unit, für uns jedoch ein wichtiger Impulsgeber. Außerdem sind wir wie bereits erwähnt Spezialisten bei Tabakwaren und Presse. Mit diesem Know-how können wir unsere Standorte in den verschiedenen Formaten passgenau bedienen. Ähnlich dem Baukasten-Prinzip sind wir in der Lage, standortindividuell ein passendes Konzept aus unseren Kompetenzen und Formaten zusammenzustellen – und damit sehr flexibel. Beispielsweise haben wir mit unserem Wissen aus dem Bahnhofsbuchhandel unsere Presseaktivitäten in den Kiosken optimiert und konnten dort den Presse-Umsatz im vergangenen Jahr um drei Prozent steigern – und das in einem stetig rückläufigen Presse-Markt. Im Bereich Convenience setzen die Schweizer Kollegen wichtige Impulse. So hat beispielsweise Roger Knill, der aus der Schweiz stammt und jetzt von H amburg aus die Business Unit Convenience leitet, mit seinem Team ein neues Convenience-Konzept entwickelt. Dieses Konzept ist auf die Bedürfnisse des deutschen Marktes zugeschnitten und in Hamburg an der U-Bahnstation Lattenkamp zu sehen.

Gehen die Schweizer aufgeschlossener mit Convenience um, als die deutschen Verbraucher?

Obeldobel: Ich würde sagen ja. Aber wir haben in der Schweiz schon lange eine andere Kaffee- und Convenience-Kultur als hierzulande. Außerdem herrschen in Deutschland auch ganz andere Rahmenbedingungen.

Sie haben Anfang des Jahres die Expansionsabteilung neu besetzt. WelchePlänewerden verfolgt?

Obeldobel: Wir wollen weiter expandieren und haben unser Expansionsziel für 2016 bereits heute nahezu erreicht.

Machen Sie das in Eigenregie, oder haben Sie dafür Franchise-Partner?

Obeldobel: Natürlich sind wir daran interessiert, neue Franchise-Partner zu gewinnen oder bestehenden noch einen zweiten, dritten, möglicherweise sogar zehnten Standort an die Hand zu geben. Dabei ist uns der Partner mit einem Objekt genauso wichtig wie der mit mehreren. Die aktuellen Erfahrungen zeigen, dass Partner, die in unsere Konzepte wechseln, ein gut zweistelliges Umsatzwachstum erreicht haben. Ich denke, das steht für eine sehr gute Entwicklung unseres Franchise-Systems.

Haben Sie die Franchise-Verträge überarbeitet? Bekanntlich hagelte es Proteste derjenigen,die durch den Kauf von Convenience-Concept unter das Valora-Dach geschlüpft sind.

Obeldobel: Wir haben nicht nur die Verträge optimiert, sondern insgesamt an der Attraktivität des Konzeptes gefeilt. Markenauftritt, Shop-Architektur und Sortimentsmodule wurden überarbeitet. Zudem sind wir permanent bestrebt, unseren Franchisepartnern etwas Besonders zu bieten, das der Endverbraucher nur bei uns erhält. Aktuell bringen wir zum Beispiel unsere eigene Kaffeemarke Spettacolo aus der Schweiz nach Deutschland. Erst im Februar haben wir unsere eigene (Tabak-) Eigenmarke Cigo gelauncht. Außerdem bauen wir permanent unsere ok.– Eigenmarke aus. Mit dem Sponsoring beim FC St. Pauli investieren wir zusätzlich in die Bekanntheit der Marke ok.–, um so die Begehrlichkeiten für die Produkte bei unseren Franchisepartnern, aber auch unseren eigenen Geschäften zu steigern.


Sehen Sie Ihre Eigenmarken als Preiseinstiegsmarke?

Obeldobel: In unseren Lagen ja. Diese sind für uns genauso wichtig wie die Markenprodukte der Industrie.

Konzeptionell hat Valora sich vorgenommen, mehr Service anzubieten. Welche Leistungen werden das sein?

Obeldobel: Neben Lotto sind dies die Postdienstleistungen. An einigen Standorten haben wir bereits die Postbank integriert. Darüber hinaus setzen wir auf e-Service-Artikel und bieten Guthabenkarten für Musik-Downloads u. ä. an. Wir suchen aber weiter nach Partnern für den Service-Bereich.

Wären Finanzdienstleistungen wie in der Schweiz auch hier zu Lande denkbar?

Obeldobel: Im Moment ist das für uns kein Thema.

In welchen Formaten wollen Sie den Foodanteil steigern?

Obeldobel: Ich schätze, dass wir in diesem Jahr unseren Foodumsatz verdoppeln werden. Aber die Anteile an der Entwicklung sind abhängig vom jeweiligen Business-Format. In der Vorkassenzone eines Supermarktes macht Food beispielsweise wenig Sinn. Ganz davon abgesehen, dass wir es in bestimmten Lagen auch gar nicht anbieten dürfen. In klassischen Kiosk-Lagen oder an hochfrequenten Verkehrsstandorten wie dem Busbahnhof ergeben sich mehr Möglichkeiten. Das neue Convenience-Konzept basiert u. a. auf einem deutlich höheren Food-Anteil, bei gleichzeitig höherer Produktivität der Verkaufsfläche.

Sehen Sie sich in unmittelbarem Wettbewerb zu Rewe to go oder Ahold to go?

Obeldobel: Wir sehen uns als One-Stop-Shop-Gelegenheit in Hochfrequenzlagen. Das heißt, der Kunde bekommt bei uns alles für den Weg – schnell, einfach und unkompliziert. Dabei sind wir nicht für das große, sondern für das kleine Glück zuständig. Das kann ein röstfrischer Coffee to go sein, ein knuspriger Snack, etwas Süßes oder etwas zum Lesen.

Warum ist Avec nach demTest in2008 nicht in den Rollout gegangen?

Obeldobel: Vermutlich war vor acht Jahren die Zeit dafür noch nicht reif. In den vergangenen Monaten haben wir die konzeptionellen Grundlagen für den deutschen Markt geschaffen und intensiv an den Sortimenten sowie den ladenbaulichen Elementen für ein optimales Kundenerlebnis im Shop gearbeitet. Den Markennamen setzen wir nun zum Schluss auf. Dabei bietet sich avec mit einer Markenbekanntheit von 60 Prozent in der Schweiz an, um entsprechende Synergieeffekte zu realisieren. Selbstverständlich haben wir diesen Markennamen in Deutschland mittels Marktforschung überprüft und hierbei ein sehr positives Feedback von den Verbrauchern bekommen. Wir werden avec in Deutschland wieder sukzessive ausrollen. Voraussichtlich eröffnet der erste Standort im Juni/Juli.

Unabhängig davon, objemand mit Gütern des täglichen Bedarfs oder mit Luxusware handelt – was raten Sie einem Convenience-Händler?

Obeldobel: Handel ist ein People-Business. Das ist meine Überzeugung und die Basis meiner täglichen Arbeit.

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